Die zweite Folge von HBOs neuer Serie Westworld hält, was die erste Folge versprochen hat. Damit starten wir dann auch in eine Artikelreihe, um die bahnbrechende Serie weiter zu begleiten.
Achtung, Spoiler! Diese Review bespricht konkrete, (für mich) interessante Aspekte der aktuellen Folge und sollte erst nach deren Konsum gelesen werden.
Willkommen in Westworld
Die erste Folge einer Serie muss ja immer vieles leisten: Interessant starten, eine Welt einführen und genug Spannung aufbauen, um das Weiterschauen sicherzustellen. Die erste Folge von Westworld hat das mit Bravour geschafft, aber wie sieht es jetzt im „Alltag“ der Serie aus?
Die Handlung um Androidin Dolores wird am Rande minimal fortgesetzt, im Zentrum stehen aber diesmal zwei neue Besucher des Freizeitparks (Logan und William) sowie die bereits bekannte Saloon-Bewohnerin Maeve (Thandie Newton). William (Jimmi Simpson) wird hier als Westworld-Neuling für eine etwas konventionellere Einführung in das Setting eingesetzt – nach der bewusst rätselhaften ersten Folge bekommen wir als Zuschauer so auch eine etwas konkretere Vorstellung von der Funktionsweise des Parks. Der Kontrast zwischen dem schüchternen William und seinem Arbeitskollegen Logan (Ben Barnes) unterstreicht die bereits gemachten Andeutungen zur absoluten moralischen Freiheit in Westworld. Auch Williams Begrüßungs-Host betont nochmal: Es gibt keine Einführung, keine Anleitung – nur Entscheidungen.
Der Vergleich von Logan und William betont auch nochmal die Videospielcharakteristik des Parks: Der erfahrene Logan will sich mit „Anfänger-Quests“ nicht abgeben und seinen Freund so schnell wie möglich ins tiefe Ende des Beckens bringen, wo er „richtig“ Spaß haben kann. Als Kontrast dazu haben wir William, der all die Pracht erstmal in sich aufnehmen muss und auch die Hosts noch nicht als willenlose Marionetten betrachten kann oder will.
Albträume und Feintuning
Maeve ist eine dieser Marionetten und an ihrem Beispiel erleben wir dann auch, wie problematisch der Umgang mit den künstlichen Intelligenzen der Hosts für die Parkbetreiber ist: Selbst wenn sie eigentlich perfekt funktionieren muss ständig nachgebessert werden, wenn sie ihre Funktion nicht erfüllen. Maeves „Wirkung“ auf die Gäste ist nicht mehr ganz das Wahre, also probieren die Betreiber verschiedene Varianten ihrer Persönlichkeit durch – facettenreich dargestellt von Thandie Newton. Nicht bereit war Maeve aber für ein Erwachen mitten im „Body Shop“, der Reparaturwerkstatt für defekte Hosts, mit aufgeschlitztem Bauch. Der Perspektivwechsel klappt hier perfekt und lässt uns einmal mehr den Horror spüren, den die Hosts in dieser Welt ausgeliefert sind, über die sie keine Kontrolle haben.
Generell sehen wir viel hinter die Kulissen: Von der pompösen Präsentation für neue Storylines über die Wohnungen der Angestellten bis hin zum blutigen „Body Shop“ – der uns übrigens endgültig bestätigt, das die Chassis der Hosts organischer Natur sind, da Maeve an einer MRSA-Keiminfektion leidet und diese auch spüren kann. Die Hosts sind wohl wesentlich menschenähnlicher als die Roboter aus der Filmvorlage von 1973. Die Nähe zum Menschen wird sowohl direkt als auch indirekt thematisiert: Als William den Begrüßungs-Host fragt, ob sie echt sei, antwortet sie: „What’s the difference if you can’t tell“ (Was macht das für einen Unterschied, wenn du es nicht erkennen kannst), ebenso spielt Dr. Fords Begegnung mit dem Jungen in der Wüste erneut mit unseren Erwartungen: Erscheint er zunächst als Gast (schließlich redet er davon, hier im Urlaub zu sein), entpuppt er sich am Ende doch als Host. Dabei demonstriert Dr. Ford auch seine gottgleiche Macht über Westworld, die ihn immer mehr zur Unbekannten in der Geschichte macht.
Gewaltätigtige Freuden haben gewaltätige Enden
Es zeichnet sich weiter deutlicher ab, wo die Reise hin geht: „These violent delights have violent ends“ (Diese gewalttätigen Freuden haben gewalttätige Enden) flüstert eine nach den Ereignissen der ersten Folge nicht mehr ganz „normale“ Dolores Maeve zu – nicht nur prophetisch, sie löst damit bei Maeve auch Albträume aus – vielleicht ist das also die Infektion, von der man sich auf Parkbetreiberseite fürchtet. Was hier passiert scheint zusammen mit Abernathys Kollaps am Ende der ersten Folge klar: Die Hosts erinnern sich an frühere Leben, die sich verstörend auf ihre Programmierung auswirken. Schlechte Idee, wie eine Technikerin bemerkt – damit es auch der letzte Zuschauer mitbekommt.
Auch sonst wird an der Mystery-Schraube gedreht: Ed Harris‘ Man in Black ist auf einer ganz eigenen „Quest“, um Westworld die letzten Geheimnisse zu entreißen, und auch Dolores verhält sich rätselhaft. Wir erfahren, dass Programmierer Bernard sich heimlich mit ihr unterhält: Nur Neugier, oder ist er gar der Auslöser für die Verhaltensstörungen? Außerdem bleibt abzuwarten, was es mit Dr. Fords neuem Projekt auf sich hat.
Unterm Strich baut die zweite Folge sauber auf der ersten auf: Die Welt wird erweitert und die bereits angedeuteten Handlungsstränge klarer auf Kurs gebracht. Außerdem erhalten wir mit William und Logan zwei weitere wichtige Hauptfiguren, die neben den Perspektiven der Betreiber und der Hosts nun auch die der Gäste erlebbar macht. Westworld verliert sich wie erhofft auch weiterhin nicht in Splatter und Groschen-Philosophie sondern setzt beides wirkungsvoll in Maßen ein. Inhaltlich ist das bei genauem Hinsehen alles sicher nicht bahnbrechend und vielleicht sogar bisher ein bisschen vorhersehbar, aber es wird spürbar auf eine wesentlich größere Sache als eine Roboter-Revolution hin aufgebaut. Wir bleiben weiter dran.