So, What’s Your Story? – Transmenschen in Comics

Die Mainstream Comic Buch Verlage sind nicht gerade für Vielfältigkeit bekannt, wenn es darum geht, Menschen von allerlei Farbe, Form, sexuellen Orientierungen oder Geschlechtern zu repräsentieren. Der durchschnittliche Held in einem Comic ist weiß, heterosexuell und ein Cis-Mann, also ein Mann, dessen biologisches Geschlecht und das, dem er sich zugehörig fühlt, übereinstimmt. Durch Unterrepräsentation werden Menschen, die eben nicht in dieses Schema F fallen, unsichtbar gemacht oder klar als nicht „normal“ abgestempelt. Das ist nicht nur schade, weil wir viele Geschichten, die diese Menschen erleben und berühren, nicht zu hören bzw. lesen bekommen, es schürt außerdem Vorurteile und Klischeedenken. Wie sollen wir auch über stereotypische Darstellungen hinwegkommen wenn wir keine positiven Beispiele erfahren dürfen? Unter- oder Nicht-Repräsentation drängt diese Menschen nur weiter von der Norm ab und suggeriert uns, dass all die Klischees und Vorurteile die wir haben, doch irgendwie stimmen könnten. Dies sagt uns, es sei richtig, dass wir als Gesellschaft diese Menschen verstecken sollten, oder warum sonst sehen wir in unseren Medien keine Transmenschen? Denn das ist was, was die Medien tun, sie drücken das aus, was eine Gesellschaft bewegt, wovor sie Angst hat und was sie bevorzugt.  Gerade Comics sind ein Medium, um jungen Menschen eine Stimme zu geben, die sich oft ausgeschlossen und nicht dazugehörig fühlen.

Es gibt so viele Arten trans zu sein, die über das klischeehafte„im falschen Körper geboren“-sein hinausgehen. Es gibt keine falschen Körper. Es gibt nur idealisierte Rollenbilder, die mit dem biologischen Geschlecht mitgeliefert werden. Diese sind wie eine Jeans von H&M, machen Menschen passen sie, manchen eben nicht. Manche Transmenschen identifizieren sich mit einem anderen Geschlecht als mit dem sie geboren sind, andere als zwischen den Geschlechtern oder als ein bisschen was von allem. Warum versuchen wir in der Öffentlichkeit also all das in viel zu kleine Klischeeschubladen – oder Klischee-Jeans – zu pressen?

Transmenschen, wie viele andere marginalisierte Gruppen, werden in den Medien gerne darauf reduziert, dass sie trans sind. Sie kleiden sich „falsch“, ecken an, leben isoliert oder in ihrer eigenen Welt. Was sie für Musik hören, welche Lieblingsfarbe oder Haustiere sie haben, all das wird entweder ignoriert oder mit noch mehr Klischees beantwortet, während diese Dinge für einen Cis-Menschen ganz natürlich zu einem gerundeten Charakter dazu gehören. In Comics wurden Transmenschen weitestgehend komplett ignoriert, verspottet oder auf die beliebte Körpertausch-Trope reduziert. So sah man in der Vergangenheit Captain America wie er sich als Frau „tarnte“ um nicht als ernstzunehmender Gegner wahrgenommen zu werden. Oder da ist Thors Bruder Loki, der zur Frau gehext wurde als Bestrafung für seine Sünden. Und darüber, was DC mit Supergirls ehemaligem Pferd und späteren Sidekick Comet gemacht hat, sprechen wir lieber gar nicht erst.

DC Comics (Batgirl, Gail Simone 2013)
DC Comics (Batgirl, Gail Simone 2013)

In Batgirl brachte Gail Simone 2013 eine Transfrau ins DC Universum. Barbara Gordons damalige Mitbewohnerin Alysia Yeoh ging offen mit ihrer Identität um. Sie zeigt ein positives Bild und einen herzlichen Umgang mit dem Thema. Schade, dass gerade Batgirl vor kurzem in die Kritik geraten ist Transphobie zu schüren. Als sich im Erzählbogen „Double Exposure“ in Ausgabe #37 herausstellt, dass Batgirls Doppelgängerin ein biologischer Mann ist, wird diese von der Bühne ge-booh-t und mit Getränken beworfen. Auch Babs Reaktion auf das Outing ihres Ebenbildes ist sehr viel weniger herzlich als noch bei ihrer Mitbewohnerin. Batgirl ist völlig geschockt und stottert etwas wie „Aber du bist doch ein…“. Diese Reaktion zeigt dass für sie Transidentität alles andere als „normal“ ist. Das kreative Team um Batgirl Schreiber Cameron Steward hat übrigens eine offizielle und sehr anständige Entschuldigung zu diesem Thema geschrieben. Vielleicht war es eine bisschen eine Widergutmachung oder als Entschuldigung gedacht, dass das kreative Team um Batgirl Alysia die aktuellste Ausgabe gewidmet haben – in Batgirl #45 heiratet sie ihre große Liebe Jo. Was immer auch Intentionen dahinter waren, die Ausgabe wurde zu einer traumhaft schönen, pastelligen, gut genutzte Gelegenheit einem queeren Paar Präsenz im Comic zu geben.

Braga
(Image Comics, Kurtis Wiebe 2015)

Doch es geht auch ganz anders – ganz richtig! Die Spezial-Ausgabe Braga #1 der Comic Serie Rat Queens erzählt die Geschichte von Braga, einer Ork Kriegerin, die schon in den vorangegangen Heften gezeigt hat, dass sie nicht nur kämpfen kann, sondern auch eine wundervolle, vielseitige Person ist. Am Morgen nach einer großen Schlacht treffen wir in Ausgabe #9 Braga beim Frühstück mit ihrem Liebhaber. Wir erfahren, dass sie einen Kater namens Pickles hat und zuhause Plüschdrachen-Hausschuhe trägt. Bragas Date fragt sie „Was ist deine Geschichte?“ und sie beginnt zu erzählen, über ihre Wurzeln und ihre Familie. Wir erfahren, dass sie einst große Schlachten angeführt hat und mit ihrem Vater immer wieder aneinander geraten ist, weil sie lieber Friedensverhandlungen wollte als noch mehr Blutvergießen zu verursachen. Wir erfahren von ihrer Freundschaft zu Kiruk, warum sie eine Augenklappe trägt und warum sie ihr Recht auf die Nachfolge als Chief ihres Stammes ausschlug. Ganz nebenbei erfahren wir auch, dass sie früher Broog hieß und ein Mann war. Es gibt keine geschockten Gesichter, keine langen Erklärungen warum und wie sie „zur Frau wurde“. Ihre Geschichte dreht sich nicht um ihr biologisches Geschlecht sondern um sie als ganze Person.

Und Braga ist nicht alleine. Auch in aktuellen Comic Titeln wie The Wicked + the Divine oder Shutter gibt es sehr gut geschriebene trans Charaktere, die mehr sind als ein Plot Device und in ihrer Umwelt komplett etabliert und akzeptiert sind.

Sind all diese Figuren stellvertretend genug? Nein. Denn wir brauchen Repräsentation um systematisch ausgeschlossene Menschen sichtbar zu machen. Auch wenn wir tolle Beispsiele haben von Transfrauen haben, so bleiben Transmänner auch weiterhin unsichtbar, genau wie jene, die sich zwischen den binären Geschlechtern einordnen. Wir müssen ihnen nicht nur erzählen sondern auch medial zeigen, dass es ok ist, wer sie sind, das sie wichtig und toll sind und vor allem nicht alleine. Wir brauchen Präsenz in den Medien um geschockte Gesichter zu verbannen, Vorurteile zu überkommen und damit Hass, Transphobie, Cis-Sexismus und Homophobie zu eliminieren. Gleichzeitig müssen wir aufhören, Menschen die „anders“ sind, nur auf diesen Unterschied in ihrer Persönlichkeit zu reduzieren. Wir müssen Geschichten erzählen, die sie zu einem runden und vollständigen Charakter machen, nicht nur „Das ist die Transfrau, alles was sie sagt und tut hat mit ihrem trans-Sein zu tun“. Denn Geschlecht, Religion, sexuelle Orientierung und Hautfarbe ist kein Plot Device sondern Teil einer Identität und Teil eines interessanten Menschen (oder Orks). Die Welt ist bunt, genau wie Comics. Und wir brauchen mehr Comics wie Rat Queens & Co.

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