Wenn ein Künstler zur Feder greift – Ein Loblied auf Stjepan Šejić

Es wird Comiczeichnern und Zeichnerinnen gerne nachgesagt, dass sie nicht gleichzeitig schreiben können. Sie würden sich zu sehr an den Details der Bilder aufhalten und so lange an der Ästhetik der Panels feilen, dass sie vergessen würden, diese auch zu einer guten Geschichte zu verbinden. Nun mag dies vielleicht für viele stimmen, es ist aber auch ein Klischee, das von zig begabten Menschen widerlegt wurde. Einer dieser Menschen, der dieses Vorurteil zertrümmert, anzündet und mit den Armeen der Hölle überfährt ist Stjepan Šejić. Der gebürtige Kroate wurde bekannt als Zeichner für Witchblade und Rat Queens. Doch ist nicht nur ein begabter Künstler, er versteht es genauso gut Welten zu kreieren die so phantastisch wie real sind. Seine Charaktere sind Menschen (oder Monster), die wir alle aus dem echten Leben kennen. Dies macht seine eigenen Comics so wundervoll anders und vor allem ehrlich. Stjepan verbindet seine Kunst mit Worten und schafft so Geschichten, die nicht abgedroschen klingen, sondern voller Herzblut und Verstand strotzen. Zwei seiner Werke möchte ich euch heute nahe legen.

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Cover Sunstone/Sonnenstein – Stejpan Sejic

 

Sunstone, oder auf Deutsch eben Sonnenstein, klingt auf den ersten Blick wenig romantisch oder gar feministisch. Und doch ist es genau dies und viel mehr. Lisa und Ally gehen in der Serie von Graphic Novels eine BDSM Beziehung ein, in der es viele explizite Szenen über das Ausleben ihrer „Hobbies“ und viel nackte Haut gibt. Und doch werden die beiden Frauen nie sexualisiert dargestellt- sexy: ja, sinnlos sexualisiert: nein.

Wir erleben in Sunstone zwei starke Frauen, die sich nicht davor scheuen, ihre Sexualität auszuleben. Gleichzeitig entwickelt sich eine zarte Liebesgeschichte zwischen den beiden, die man nur als schrecklich niedlich bezeichnen kann. Sunstone zeigt, dass es auch anders geht, dass Frauen in Comics Lack und Leder und Latex tragen können, damit aber nicht in erster Linie den Blick des männlichen Lesers befriedigen müssen, sondern ihre eigen Bedürfnisse und Vorlieben. Ally und Lisa sind Charaktere, die echt sind, die ihre eigene Sexualität lieben, Spaß dabei haben und einfach Frau sind. In welchem anderen Comic finden wir Mädels, die sich über ihre Menstruation unterhalten?Außerhalb von dummen Sprüchen oder lahmen Punch-Lines sucht man dieses Thema in Comics fast vergebens. Aber nicht nur in solchen Momenten wird bewusst, dass Stjepan sich nicht nur gut mit Frauen* auskennt, er scheint sich auch immer wieder Rat und Hilfe von eben diesen zu holen, um seine Heldinnen so authentisch wie möglich wirken zu lassen.

Auch das Thema BDSM und dessen Ruf liegt ihm scheinbar sehr am Herzen. So räumt er mit Vorurteilen auf, lässt keinen Raum für negative Auslegungen und spricht gleichzeitig offen über die Gefahren, die mit diesem sexuellen Hobby einhergehen können. Und das ist es, was er versucht im Comic zu vermitteln: Fetischisten sind Menschen mit einem außergewöhnlichen Hobby. Er nennt sie Sex-Nerds und so kommen die beiden Protagonistinnen auch rüber. Ehrlich, etwas verrückt und liebenswert, und doch definieren sie sich über viel mehr als ausschließlich über ihren Sex. Man muss nicht zwangsläufig ein Fan von BDSM sein, um sich in Ally und Lisa und ihre Romanze zu verlieben.

Wer mag kann Sunstone im gut sortierten Comicbuchladen kaufen, die ersten zwei Bände gibt es mittlerweile gedruckt auf Englisch, den ersten seit dem 16. November auch auf Deutsch. Wer lieber umsonst liest kann aber auch alles auf Stjepans Deviant Art Account lesen, dort jedoch un-editiert.

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Death Vigil, Top Cow – Stjepan Sejic

Ein weiteres Werk, das erst vor kurzem als Trade Paperback erschienen ist, ist Death Vigil. Auch hierfür hat Stjepan sowohl die Geschichte geschrieben, als diese auch gezeichnet. Es ist schwer zu beurteilen, welchen Job er dabei besser ausgeführt hat. Seine Dialoge sind witzig, echt, voller Pop-Kultur-Referenzen und Memes, die Geschichte ist von vorne bis hinten durchdacht. Gleichzeitig sind die Zeichnungen mehr als gelungen. Stjepan Šejić ist der König der Mimik, er versteht es wie kaum jemand anderes seinen Charakteren Emotionen auf die Gesichter zu malen.

Angeführt wird die Gruppe, die Death Vigil, vom Sensenmann höchst persönlich, genauer Sensenfrau: Bernandette oder Bernie, wie ihre Freunde sie nennen. Bernie mag schlechte Wortspiele, die Musik der Sterblichen und verbannt mit kaum mehr als einem Fingerzeig auch die groteskesten Monster zurück in die Unterwelt. Für ihre Death Vigil Familie würde sie alles tun, ist jemand in Not muss er oder sie nur kurz ihren Namen nennen und sie erscheint sofort, selbst am anderen Ende der Welt, um ihre Freunde zu retten. Auch wenn Bernie den Tod verkörpert, so beendet sie kein menschliches Leben, sondern beschützt es.

Aber nicht nur Bernie ist rundum gelungen. Alle Charaktere stecken so voller Witz und Charme, du möchtest sie am liebsten die ganze Zeit nur in den Arm nehmen, selbst die Tentakel- Monster. Death Vigil steht irgendwo zwischen Lovecraft-Horror und Comedy, zwischen Buddy-Cop und Buffy the Vampire Slayer.

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Death Vigil, Top Cow – Stjepan Sejic

Was es zwischen tausend anderen Monstercomics so besonders macht ist seine Liebe zum Detail. Die Storyline ist sehr gut durchdacht und intelligent geschrieben. So hat z.B. alle Vigils ihren eignen Vail Ripper, eine einzigartige Waffe, die aus ihrer persönlicher Vergangenheit herrührt und zu physischer Form geworden ist. Vail Ripper sind nicht einfach nur Hau-Drauf-Kopf-Ab-Waffen, okay, manchmal auch, aber die meisten sind alltägliche Gegenstände die auf clevere Art und Weise dazu eingesetzt werden können, dem Bösen den Tag zu versauen. Und wer keine Spezialwaffe hat, der ist selbst eine, so wie Mia, auf den ersten Blick ein kleines, nerdiges Mädchen, auf den zweiten Blick verschlingt sie gigantische Unterweltswesen, nur um sich danach wieder kindlich über ihr reichliches Abendessen zu freuen, dass sie gerade verdrückt hat.

Und dann ist da auch noch Hugins, oder auch „the Raven“ genannt. Hugins ist stets an Bernies Seite und verwandelt sich bei Gefahr in einen vorlauten, riesigen Raben-Dino mit… naja… nuff said.

Death Vigil erschien bei Top Cow und kann als Trade Paper Back im gut sortieren Buchhandel gefunden werden (bisher leider nur auf Englisch).

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