Fanfilme sind so eine Sache. Schwankende Qualität, Laiendarsteller und schlechte Drehbücher. Star Trek Continues ist anders. Wir verraten euch, warum die Fanserie nicht enden darf.
Kurioses in der Star Trek-Nacht
Fanfilme, das waren für mich lange Zeit eigentlich nur diese komischen, eher peinlichen Filmchen aus den 1990ern. Produktionen, die so trashig waren, dass ich sie mir heute nur noch mit einer gehörigen Portion Nostalgie angucken kann. Wenn überhaupt.
Der trottelige Captain Robert T. Norrad vom Raumschiff Highlander, die Synchronisationsparodie Die Intergalaktische Ampel oder der Earmatik 4000, dem Ohranspitzer für Vulkanier, sind sicher nur noch denen ein Begriff, die 1996 die Star Trek-Nacht zum 30-Jährigen Jubiläum des Franchises in Sat. 1 geschaut haben. Ich denke ich war noch zu jung um zu verstehen, dass es sich bei diesen Filmchen um Herzensprojekte anderer Fans wie mich selbst handelte. Mir waren sie damals eher peinlich. Ich wollte nämlich richtiges Star Trek sehen, keine schlecht gemachten Kopien und keine Parodien.
In diesem Jahr steht wieder ein runder Geburtstag von Star Trek an. Die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise werden 50 Jahre alt – eine gute Zeit dafür, einen erneuten Blick auf Fanproduktionen zu werfen. Diese haben in den letzten 20 Jahren einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht. Die schlechten Parodien waren gestern und Fanproduktionen haben den Weg hin zum richtigen Star Trek eingeschlagen. Genau das, was ich als Kind sehen wollte. Leider könnte dieser Qualitätsanstieg vielen Fanproduktionen jetzt das Genick brechen.
Viel Herz und Probleme: Star Trek – New Voyages als Vorreiter
Meine Wiedereinführung in die Welt der Star Trek-Fanfilme war die Reihe Star Trek – New Voyages. Der Amerikaner James Cawley produzierte mit seinen Freunden seit 2004 unregelmäßig weitere Episoden der klassischen Star Trek-Serie und verbreitete sie u.a auf YouTube. Der beeindruckende Aufwand und die Begeisterung der Fans konnte jeder Episode angemerkt werden. Allerdings waren die Defizite der Produktion leider nicht von der Hand zu weisen. Die sichtlich bemühten Fans in den Hauptrollen überzeugen schauspielerisch nur selten. Sie haben schlechtes Timing oder klingen häufig sehr hölzern und wenig glaubwürdig. Die regelmäßigen Schauspielerwechsel zwischen den Episoden sorgten zudem dafür, dass sich die meisten Darsteller und Darstellerinnen in ihren Rollen nie einleben konnten. Sie wirkten oft wie schlechte Imitatoren von William Shatner, Leonard Nimoy & Co. Auch die sehr dynamischen Spezialeffekte sind für eine Laienproduktion zwar durchaus beeindruckend, brechen aber häufig mit dem Stil der klassischen TV-Serie. Sie wirken daher meist genauso deplatziert wie die zu helle, an moderne Soaps erinnernde Ausleuchtung der Darsteller und Sets. Wen das als Zuschauer nicht stört wird trotzdem seinen Spaß mit diesen Episoden haben. Insbesondere die Episode World Enough And Time mit den TOS-Schauspielern George Takei (Sulu) und der vor kurzem verstorbenen Grace Lee Whitney (Yeoman Rand) ist empfehlenswert. Richtig begeistern konnte mich bisher aber nur die preisgekrönte Fanserie Star Trek Continues.
Die Fünfjahresmission beenden – Star Trek Continues will die Lücke schließen
Die 2012 ins Leben gerufene Fanserie ist im Prinzip der Versuch all das, was New Voyages versucht hat, besser zu machen. Die Crew um Serienschöpfer Vic Mignogna hat es sich zur Aufgabe gemacht die Fünfjahresmission der Enterprise um Captain Kirk zu beenden. Die Produktion soll die erzählerische Lücke zwischen der letzten Episode der klassischen Serie The Turnabout Intruder (dt. Gefährlicher Tausch) und dem ersten Kinofilm Star Trek – The Motion Picture (dt. Star Trek – Der Film) schließen. Die Macher von Star Trek Continues möchten dies, so Mignogna, in insgesamt 13 Episoden schaffen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind bereits sieben Episoden abgedreht und davon sechs bereits online. Das Ziel der Produktion von Star Trek Continues ist dabei, den Stil, das Aussehen und das Gefühl der klassischen Star Trek Episoden so genau wie möglich einzufangen.
Profis bei der Arbeit – authentisch, weil professionell
Um zu testen, ob das Vorhaben auch in der gewünschten Qualität umgesetzt werden könnte, wurde der letzten Moment der klassischen Serie in einer Testszene nachgestellt und um ein paar Minuten erweitert. Setdesign, Kostüme, Beleuchtung und auch die Spezialeffekte sind dabei so überzeugend, dass tatsächlich der Eindruck entsteht eine verlorene Sequenz der klassischen Star Trek Serie zu sehen. Um diesen Effekt zu erreichen hat Mignogna nicht nur, in Kooperation mit einer anderen Fanproduktion, die Soundstage der klassischen Enterprise-Sets in einem Lagerhaus nachbauen lassen, auch die Kostüme und Requisiten aus der Serie wurden, so originalgetreu wie möglich, neu erstellt. Natürlich ist auch Mignogna zu Beginn nicht immer alles so gelungen wie er sich das vorgestellt hatte, aber die Verbesserung des Niveaus der Produktion ist von Episode zu Episode spürbar.
Der größte Vorteil von Star Trek Continues liegt aber in seinen Darstellerinnen und Darstellern. Produzent Mignogna ist eben nicht nur Fan von Star Trek seit Kindheitstagen, sondern wie seine Freunde zudem auch noch als professioneller Schauspieler tätig. Dabei steht er weniger vor der Kamera, sondern leiht vor allem Animes wie Pokémon, Fullmetal Alchemist und Dragonball oder Videospielen wie World of Warcraft für den US-Markt seine Stimme. In Star Trek Continues lebt Vic als Captain Kirk daher eine Seite seines Berufs aus, welche er in seinem normalen Arbeitsalltag eher selten ausfüllen darf und erfüllt sich einen Kindheitstraum. Dabei versuchen Vic Mignogna als Kirk und Todd Haberkorn als Spock, die ikonischen Figuren nicht so zu spielen, wie es William Shatner und Leonard Nimoy getan haben. Sie geben stattdessen ihre eigene Interpretation ab. Dadurch bleiben ihre Figuren zu jeder Zeit glaubwürdig und die Serie authentisch. Auch die anderen Schauspieler überzeugen in ihren ikonischen Rollen. Mit der Bord-Psychologin McKennah, gespielt von Michelle Specht, wurde zudem auch frischer Wind in die aus der klassischen Serie bekannten Figurenkonstellation gebracht und eine Brücke zur Serie Star Trek – The Next Generation geschlagen. Eine besondere Besetzung ist sicherlich die von Scotty. Chris Doohan, der Sohn von Original Scotty-Darsteller James Doohan schlüpft in Star Trek Continues in die Rolle, die seinen Vater weltberühmt gemacht hat. Obwohl kein Schauspieler, macht Chris Doohan dabei eine ordentliche Figur und gibt den schottischen Akzent laut eigener Aussage genauso falsch wieder, wie es sein Vater in den 60ern getan hat.
Richtiges Star Trek dank menschlicher Geschichten – Die Episoden von Star Trek Continues
Ein anderes besonderes Merkmal der Serie sind die Drehbücher. Die Geschichten fokussieren sich vor allem auf die Menschlichkeit der Figuren und treffen damit den Kern der klassischen Star Trek Episoden. Mignogna ist dies besonders wichtig, da so manche Geschichten anderer Fanproduktion seiner Meinung nach gerne in einem Gewitter aus Spezialeffekten und Technobabble untergehen können. Wenn ein Drehbuchvorschlag in Star Trek Continues nichts über die Figuren aussagt, dann wird dieser verworfen.
Die sechs veröffentlichen Episoden weisen daher inhaltlich eine hohe Qualität und Konstanz auf und können auch mit einigen Gastauftritten bekannter Genre-Größen punkten. In der ersten Episode der Serie Pilgrim Of Eternity spielt nicht nur der aus Battlestar Galactica bekannte Jamie Bamber mit, sondern auch Michael Forest. In dieser Fortsetzung der klassischen Star Trek Episode Who Mourns for Adonais? (dt. Der Tempel des Apollo) schlüpft Forest erneut in die Rolle des Aliens Apollo. Der griechische Gott muss sich darin mit seiner Sterblichkeit auseinandersetzen. In der Folge Lolani taucht Hulk-Darsteller Lou Ferrigno als ein grün geschminkter Sklavenhändler vom Planeten Orion auf. Dieser möchte die titelgebende ehemalige Sklavin Lolani zurück in seinen Besitz bringen und bringt die Crew der Enterprise in eine moralische Zwickmühle. Doctor Who-Darsteller Colin Baker hingegen spielt in der Episode The White Iris mit, in der Kirk den Verlust vergangener Liebschaften verarbeiten muss. Die Episode gibt dem in der klassischen Serie eher sorglos von Liebelei zu Liebelei hüpfenden Kirk auf diese Weise eine ungewohnt gefühlvolle Tiefe und wertet sogar vergangene Episoden auf.
Das absolute Highlight der Serie stellt die Episode Fairest Of Them All dar. Statt einem Gastdarsteller ist hier das Setting der Episode der Star. Die Folge ist nämlich eine direkte Fortsetzung der klassischen Episode Mirror, Mirror (dt. Ein Parallel-Universum) und zeigt welche Auswirkungen der Besuch von Captain Kirk auf die I.S.S. Enterprise im brutalen Spiegeluniversum hatte. Der böse Captain Kirk und der geläuterte Mr. Spock kämpfen darin um das Kommando der I.S.S. Enterprise und um die Zukunft des terranischen Imperiums. Für diese Episode wurde das Ende der klassischen Episode 1:1 nachgestellt um diese dann nahtlos fortsetzen zu können. Neben dem detailgetreuen Umbau der Sets in die I.S.S. Enterprise überzeugt das Team von Star Trek Continues hier vor allem durch die extra für diese Episode geschaffenen Kostüme und Requisiten.
Die bisher schwächste Episode der Serie ist in meinen Augen die Episode Divided We Stand. Kirk und McCoy werden darin auf der Enterprise verletzt, verlieren das Bewusstsein und wachen plötzlich als Soldat der Nordstaaten bzw. als Arzt der Südstaaten während der Schlacht am Antietam des Amerikanischen Bürgerkrieges auf. Divided We Stand stellt die erste Folge von Star Trek Continues dar, die nicht fast ausschließlich im Studio gedreht wurde. Mit Hilfe einer Reenactment-Gruppe konnte die Crew von Star Trek Continues die Zeit des Amerikanischen Bürgerkrieges sehr authentisch nachstellen. Leider ist der Pathos in manchen Szenen etwas übertrieben dargestellt, was einige stark gemeinte Momente abwertet. Richtig schlecht ist die Episode aber trotzdem nicht.
Die neueste Episode der Serie Come Not Between the Dragons ist Ende Mai erschienen und wartet mit dem ersten, für die Serie komplett neu geschaffenen Alien auf. In bester Star Trek Manier wird in dieser Episode zudem ein sehr ernstes Thema mithilfe eines Science-Fiction Ansatzes aufbereitet und ist dabei teilweise sogar sehr bewegend. Bestes Star Trek also. Der enorme Aufwand, der sich hinter der Konzeption und Live-Action-Umsetzung einer neuen Lebensform steckt kann in einem Blick-hinter-die-Kulissen-Video bestaunt werden. Achtung, das Video spoilert die oben angedeutete Pointe der Episode. Zudem haben die neuen Frauenfiguren in Star Trek Continues hier ihren großen Auftritt und können so mit mehr Leben gefüllt werden.
To Boldly Go On? – Die Zukunft von Star Trek Continues sieht trotzdem düster aus
Im September sollte es für Star Trek Continues dann mit der Episode Embracing the Winds in die siebte Runde gehen. Dann könnte dort auch schon das neue Planetenset der Produktion zum Einsatz kommen. Ob die Serie überhaupt fortgesetzt werden kann ist unklar. Der Erfolg einer Crowdfundingphase im Frühjahr hat zwar das Geld für die Produktion weiterer Episoden sichergestellt, aber die gestern veröffentlichten Guidelines für Fanfilme von CBS und Paramount dürfte die Produktion weiterer Episoden in der bisherigen Form praktisch unmöglich machen. Bisher wurde das gesammelte Geld vollständig in die Schaffung neuer Sets, Requisiten, Kostüme oder zur Deckung laufender Kosten des Projekts gesteckt. Auch Mignogna und sein Team aus Freiwilligen beziehen keine Gehälter. Diese Praxis war bisher eine sichere Methode um nicht mit CBS/Paramount in Konflikt zu geraten. Dies könnte jetzt anders sein. Es bleibt daher abzuwarten, inwieweit die Firmen bereits exisitierenden Fanproduktionen entgehen kommen werden und ob dies das Ende von Star Trek Continues bedeutet. Eine Einschätzung wie hart es bestehende Fanproduktionen treffen könnte findet ihr in diesem Beitrag von theback40k.
Wer also Lust auf neues Star Trek hat und nicht bis zum Kinostart von Star Trek Beyond oder auf die Ausstrahlung der neuen Star Trek Serie im Januar warten möchte, der sollte unbedingt mal bei Star Trek Continues vorbeischauen. Fans der klassischen Serie um Kirk und Spock sollten dabei gut auf ihre Kosten kommen.
Die hier verlinkte erste Episode von Star Trek Continues mit dem Titel Pilgrim Of Eternity ist ein solider Start in eine Serie, dessen Produktionsqualität von Folge zu Folge besser wird. Lasst uns wissen wie ihr die Episoden fandet und wie ihr zu den neuen Richtlinien für Fanfilme von CBS/Paramount steht.
Hinweis: Dieses Video wird von YouTube eingebettet. Beim Abspielen werden Daten an YouTube/Google übertragen.
Update August: Momentan sieht es so aus, als ob die Macher von Star Trek Continues ihren ursprünglichen Plan vollenden können. Vic Mignogna äußerte sich auf Facebook jedenfalls sehr optimistisch und kündigte an, dass die neueste Episode wie geplant im September veröffentlicht werden wird.
Star Trek Continues ist eine Non-Profit-Fanserie und kann direkt über www.startrekcontinues.com oder über den YouTube-Kanal StarTrekContinues angeschaut werden.
Hört euch auch unsere erste Podcastfolge zum Thema Star Trek an: Schundcast 009: 50 Jahre Star Trek – Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft
Einen ersten Einblick in die Welt der Fankultur hat euch bereits Svenja gegeben im Text über die Fanserie RED vs. BLUE, die auf dem Computerspiel Halo basiert: Halo Dramedy in Rot und Blau? RED vs BLUE
Star Trek Remastered Season 1-3 ist auf Blu-Ray, DVD erhältlich oder kann bei Amazon Prime angeschaut werden.
Bilder mit freundlicher Genehmigung von Lisa Hansell. Facebook.com/StarTrekContinues/