Imperator Furiosas Tanklaster umringt von Autos mit feindseligen Warboys.
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Das wichtigste vorneweg: wer das noch nicht getan hat; Mad Max gucken! Der Film ist mindestens einer der besten der letzten Jahre und dürfte allen gefallen, die nur irgendwie Actionfilme mögen. Der Film zeigt, was Popcornkino kann. Und noch läuft er im Kino – der Film lebt vor allem durch seine Optik, also lohnt sich hier die große Leinwand. Ich würde sogar sagen, ausnahmsweise auch 3D, was ich sonst nicht wichtig finde.
Den Film zu beschreiben ist eine einfache Aufgabe. Er ist eine Verfolgungsjagd in Filmlänge, während der ein Haufen Zeug in die Brüche geht. Setting ist eine Wüste nach einem Atomkrieg. Dabei geht es um die Reise von Max (Tom Hardy) und Imperator Furiosa (Charlize Theron), die dabei ist, [milder Spoiler] die Frauen aus einem Harem zu befreien. Der wiederum gehört dem Regenten einer Wüstensiedlung, Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne), zu dessen Armee Furiosa gehört. Die Frauen heißen Capable (Riley Keough), Cheedo the Fragile (Courtney Eaton), The Dag (Abbey Lee), The Splendid Angharad (Rosie Huntington-Whiteley) und Toast the Knowing (Zoë Kravitz). Die Charakternamen sind das herausragende Beispiel für die detailreiche Welt und Kultur, die der Film aufbaut.
Was Mad Max: Fury Road so angenehm macht ist, dass er recht klassisch montiert und erzählt ist. Er macht Dinge nicht neu oder innovativ, sondern gut, und sticht paradoxerweise gerade dadurch heraus. Im Gegensatz zu anderen jüngeren Actionfilmen, die sich etwa in den Bourne-Filmen Vorbilder genommen haben, sind die Einstellungen schnell und eindeutig zu verstehen. Mensch weiß in jeder Sekunde, was gerade passiert, auch im abgefahrensten Autoknäuel. Das war ein besonderes Anliegen von Regisseur George Miller, der auch bei den alten Mad-Max-Filmen mit Mel Gibson auf dem Regiestuhl saß und Verdienst von Cutterin Margaret Sixel.
Der Film sieht großartig aus, auch dank der praktischen Effekte, die sich auf großartige Weise mit den CG-Anteilen verbinden. Noch besser ist nur der Soundtrack, große Orchesterstücke, die mich in Teilen an Neue Musik erinnert haben, gemischt mit benzingetränkten Industrial-Rock-Riffs aus der Flammenwerfer-Gitarre. Nach dem Atomkrieg ist alles auch immer ein Flammenwerfer.
Über das Verhältnis zwischen dem Film und Feminismus wurde genug gesagt. Aber die Aussage, die sich aus dem Film über unsere Welt ziehen lässt, ist interessant und hat für mich einen großen Teil der Freude ausgemacht. [Ab hier folgen Spoiler.]
Während Max vielleicht auf der Suche ist nach irgendeiner Form von Halt (oder vielmehr nach einer Herausforderung, die endlich zu viel für ihn ist), dreht sich die Geschichte um Furiosa und ihre Ziele und Wünsche. Sie sucht eine bessere Welt für sich und die anderen Frauen in der Gruppe. Ein Wunsch, den wir nachfühlen können. Was versucht sie also nun, um einen besseren Ort zu finden und wie läuft das so?
Ihr erster Plan ist, in das grüne, fruchtbare Land ihrer Jugend zurückzukehren, in die Frauengemeinde ihrer Kindheit, aus der sie entführt wurde. (Von der Gesellschaft der Gewalt und des Militarismus herausgerissen.) Sie versucht also, in eine frühere, bessere Vergangenheit zu fliehen. Doch das misslingt aus dem sehr umfassenden Grund, dass dieser Ort nicht mehr existiert. Das grüne Land ist giftiger Schlamm geworden – die Vergangenheit ist verloren. In Reaktion darauf will sie ins nichts gehen – von allen Orten weg, die sie kennt, ein neues Land finden, alle Verbindung zu ihrem bisherigen Leben unterbrechen. Die Gruppe geht in die Wüste.
Doch in der Wüste ist nichts. Der Weg aus der bekannten Ordnung führt an kein Ziel, außerhalb des Bekannten wartet nur die Bedeutungslosigkeit und der Tod. Max hat einen dritten Vorschlag. Zurück.
Der Film dreht sich nach gefühlten zwei Dritteln, die Flucht wird zum Angriff. Es gibt noch heile Autos, die werden jetzt auch noch zerlegt. Der Weg in eine bessere Welt führt nicht in die Vergangenheit und eine kindliche Unschuld, nicht heraus aus dem Alten ins Unbekannte, sondern mitten rein in die verrückte Welt, in der wir sind. Das tut weh, das ist gefährlich und erfordert, sich mit den unangenehmsten Dingen auseinanderzusetzen und sich die Hände schmutzig zu machen. Aber jeder andere Weg ist eine Illusion. Es gibt kein anderes Baumaterial als das vorhandene. Imperator Furiosa muss das Szepter der Herrschaft übernehmen, die sie ihr ganzes Leben gehasst hat, mit der Gewalt, derer sie überdrüssig ist, und den Versuch unternehmen, es besser zu machen als Immortan Joe, nachdem sie ihm die Zähne gezogen hat.
Deswegen bleiben auch die „Wives“ noch in ihrer Befreiung verhaftet in ihrer Rolle als Mütter, und Warboy Nux (Nicholas Hoult) stirbt den Warboy-Tod, als Selbstopfer in der Schlacht. Auch wenn diese Skripte nicht aus ihnen kommen, sondern aus der unfreien, gewalttätigen Gesellschaft, in der sie groß geworden sind, sind diese Skripte doch Teil ihrer Persönlichkeit, ihrer Art sich selbst und die Welt zu verstehen, ja, Teil ihrer Wirklichkeit und ihrer Körper. Sie haben keine Wahl als ihnen entsprechend zu handeln, auch wenn sie darunter leiden, denn nur mit den Skripten können sie das Leiden lindern. Und es macht jeden Unterschied der Welt, dass sie ihren sozialen „Rollen“ in Freiheit folgen können und nicht dazu gezwungen werden in Unfreiheit.
Ich bin mir sicher, ich habe das eine oder andere Detail verpasst, weil ich dem Australisch nicht immer folgen konnte. Das ist aber nicht so schlimm, jetzt hab ich gerade wieder Lust auf den Film bekommen. Ich gucke ihn spätestens nochmal nach dem Blu-ray-Release.