Logan: X-Men post X-Men (Filmkritik)

In Logan spielt Hugh Jackman ein letztes Mal die Rolle des Wolverine. © Twentieth Century Fox of Germany GmbH
In Logan spielt Hugh Jackman ein letztes Mal die Rolle des Wolverine. © Twentieth Century Fox of Germany GmbH

Mit Logan feiert Hugh Jackman seinen Abschied von der Rolle des Wolverine, welchen er 17 Jahre lang und in 9 Filmen spielen durfte. Nun liefert uns Regisseur und Co-Autor James Mangold den düstersten, brutalsten — und besten X-Men-Film.

Die Story

Logan (Hugh Jackman) ist schon lange nicht mehr das, was er einmal war. Im Jahr 2029 bestreitet er als Limousinenfahrer nahe der mexikanischen Grenze seine Existenz und hütet einen senilen Professor Xavier (Patrick Stewart) vor der Öffentlichkeit. Doch nicht nur Professor X hat mit dem Alter zu Kämpfen. Auch der scheinbar unverwüstliche Wolverine muss der Realität ins Auge sehen, dass selbst er dem Tod nicht ewig entkommen kann. Als Logan ein Mädchen namens Laura begegnet, welches von einem zwielichtigen Unternehmen verfolgt wird, begeben sich Logan und Xavier auf einen Roadtrip quer durch die USA, um das Mädchen in Sicherheit zu bringen.

X-Men ohne X-Men

Ich bin kein Comic-Kenner und kann daher wenig über die Ursprünge und Einflüsse der Story sagen. Wie ich höre, ist die Geschichte von Logan grob vom Comic Old Man Logan inspiriert. Doch je mehr ich über diese Geschichte recherchiere, desto deutlicher wird es, dass Logan nur wenige Handlungselemente übernommen hat: Der Film ist in großen Teilen ein Roadmovie und handelt von einem in die Jahre gekommenen Wolverine. Das war’s auch schon. Nun ja, nicht ganz: Zu Anfang des Films erfährt man bereits, das die Mutanten so gut wie ausgestorben sind. Was genau passiert ist, ist unklar.

Logan kümmert sich um den greisen Professor X. © Twentieth Century Fox of Germany GmbH

Sowohl der Trailer, als auch der Filmtitel erweckten den Eindruck, dass Logan kein klassischer X-Men-Film und kein üblicher Superheldenfilm werden würde. Der Trailer betonte die Abkehr von der Action-Extravaganz früherer Iterationen wie X-Men: Apocalypse und ließen den Eindruck eines Charakterdramas entstehen. Johnny Cashs Hurt vermittelt den reuevollen Rückblick eines alten Mannes auf sein Leben und passt daher perfekt zu dem Charakter Wolverines, welcher über 150 Jahre immer wieder als Tötungsmaschine missbraucht wurde. Auch der Titel Logan betont, dass es sich weniger um die Heldenfigur Wolverine und mehr um Logan, den Menschen hinter der Fassade, dreht. Schade nur, dass der deutsche Verleih nicht dasselbe Vertrauen in die Marke hatte als der amerikanische Verleih und dem Titel Logan den Untertitel – The Wolverine gab.

Schon dem zweiten Soloabenteuer The Wolverine tat es gut, sich von dem X-Men-Franchise abzukoppeln und eine von Samurai-Filmen inspirierte Geschichte in Japan spielen zu lassen. Leider verlor sich das Finale von The Wolverine (Wolverine — Weg des Kriegers) letztendlich doch in einem trashigen Bossfight, der nicht zu dem Rest des in der Realität verankerten Films passte. Wo Teil 2 versagte, siegt Teil 3 auf ganzer Linie: Logan klammert die X-Men mit ihren teils haarsträubenden Kräften fast vollständig aus und konzentriert sich darauf, wie eine ehemalige Tötungsmaschine mit seiner eigenen Vergangenheit und Sterblichkeit umgeht. Dass dieser Mensch metallene Klauen zwischen seinen Knöcheln ausfahren kann, ist da nur noch halb so wichtig.

„Does it hurt?“ – „Every time.“

In Wolverines erstem Auftritt in X-Men (2000) betont Logan, dass es jedes Mal schmerzhaft sei, wenn die Klauen aus seinen Händen fahren. Doch bisher haben wir nie gesehen, wie brutal diese Waffen sind. Deadpools finanziellem Erfolg sei gedankt, dass Logan in Amerika ein R-Rating bekommen hat. In Deutschland ist der Film ab 16 Jahren freigegeben. Daher scheut sich James Mangold nicht zu zeigen, was Wolverine in seinem Berserkermodus mit diesen Krallen so machen kann. Neben literweise Blut sorgen die ein oder anderen abgeschlagenen Gliedmaßen dafür, ein halbwegs realistisches Bild davon zu erzeugen, was es bedeuten würde, wenn ein Mann ausfahrbare Metallklauen besitzt.

© Twentieth Century Fox of Germany GmbH

Durch die hohe Altersfreigabe scheut sich der Film auch nicht vor Schimpfworten. Ich musste laut loslachen, als das erste gesprochene Wort des Films ein genervtes „Fuck“ war. Wenn sogar Patrick Stewart, den man eher als englischen Gentlemen kennt, ein F-Wort nach dem anderen loslässt, ist das so absurd, dass man lachen möchte. Wenn man bedenkt, dass dies jedoch durch seine Senilität zu erklären ist, bekommt sogar die Verwendung von Schimpfworten eine tragische Komponente, da dieser vertraute Mentor, diese nette Großvater-Figur, langsam seinen Verstand verliert.

Eigentlich kein Superheldenfilm

Vor allem zeichnet sich Logan dadurch aus, was er alles nicht ist. Keine großen Explosionen und einstürzenden Gebäude, kein Weltvernichtungsplan und sogut wie keine Mutanten. Stattdessen geht es um einen Mann, der in eine Situation hineingezogen wird widerwillig die Rolle des Beschützers übernehmen muss. Die Parallelen zu alten Westernfilmen sind nicht zufällig: Logan zeigt Parallelen zu Clint Eastwoods Figur des Mann ohne Namen aus Sergio Leones Dollar-Trilogie. Auch scheint der Film von Eastwoods Unforgiven (Erbarmungslos, 1992) und Shane (Mein großer Freund Shane, 1953) inspiriert zu sein. Letzterer wird mehrmals direkt zitiert. Auch der visuelle Stil des Films erinnert stark an das Western-Genre. Weite Teile des Films sind in Beige- und Braun-Tönen gehalten. Das erste Drittel des Films spielt zudem in Wüstenlandschaften und ist an der mexikanischen Grenze angesiedelt. Anspielungen zur politischen Lage der Vereinigten Staaten scheinen ebenfalls bewusst gewählt: Die Protagonisten werden gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben und fliehen durch die USA in der Hoffnung, in Kanada in Sicherheit zu gelangen.

Logan und Caliban (Stephen Merchant) verstehecken Professor X an der mexikanisch-amerikanischen Grenze. © Twentieth Century Fox of Germany GmbH

Wenn ich darauf aufmerksam mache, wie wenig sich Logan nach einem Superheldenfilm anfühlt, sehe ich den Hauptgrund darin, dass er seine eigene kleine Geschichte erzählt und kaum Bezüge auf weitere Comics oder Filme herstellt. Logan wirkt in sich geschlossen, er hat einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende. Sämtliche Handlungspunkte bauen logisch aufeinander auf und werden nicht bloß eingestreut, um die nächste Actionsequenz einzuläuten. Man muss den Filmemachern hoch anrechnen, einen Superheldenfilm zu drehen, der sich mit erwachsenen Themen wie Vergänglichkeit, Alter, Krankheit und Tod auseinandersetzt, statt sich einem jungen Publikum anzubiedern. Die Filmemacher erwarten, dass das Publikum mit Wolverine gereift ist und die stillen Momente ebenso genießt wie die Actionsequenzen. Klassische Comic-Film-Elemente sind weiterhin Teil der Handlung, werden jedoch sinnvoll, subtil und clever eingebaut, sodass sie die Handlung bereichern und die Charakterentwicklungen von Logan und Co. fördern.

Wie bereits in den Trailern zu sehen ist, existieren in der Zukunft des X-Men-Universums X-Men-Comics. Die Geschehnisse der früheren Filme wurden zu Comics adaptiert und wie es so mit Adaptionen ist, nehmen sich die Autoren hier und da deutliche Freiheiten. Aus diesem Grund ist Logan kein Fan seiner eigenen Abenteuer und tut sie als Schwachsinn ab. Dies ist von Seiten der Drehbuchautoren ein cleverer Meta-Kommentar auf Comic-Universen und die mittlerweile sehr verwirrende Zeitlinie der X-Men-Filme. Zeitgleich dienen die Comics als Fenster in Logans Vergangenheit, die er hinter sich lassen will und welche ihn dennoch immer wieder einholt. Dass die verhassten Comics Logan letztendlich helfen, an sein Ziel zu kommen, ist eine wunderschöne Metapher für die Akzeptanz seiner eigenen Vergangenheit.

Abschied einer Kinolegende

Logan ist ein trauriger Film. Man könnte kritisieren, dass er für die heutige Zeit, die für sich genommen schon deprimierend genug ist, unpassend ist. Ich könnte diesem Argument zustimmen, halte jedoch den Leidensweg, den die Charaktere durchmachen müssen, als sehr wichtig für die Handlung. Die schrecklichen Dinge, die den guten Menschen in diesem Film widerfahren, sind auch für den Zuschauer schmerzhaft. Wie das Ende des Films jedoch betont, ist dieses Leiden jedoch nicht umsonst, sondern ist der teure Preis für eine hoffnungsvolle Zukunft. Die Handlung ist ein Spiegelbild von Logans gesamten Leben: Immer wieder holt ihn seine Vergangenheit ein. Immer wieder kommen die Menschen um ihn herum zu Schaden. Doch schließlich lernt er, das richtige zu tun und erfährt so seine Katharsis.

Daphne Keen als die mysteriöse Laura. © Twentieth Century Fox of Germany GmbH

Logan ist sowohl Hugh Jackmans als auch Patrick Stewarts Abschied aus dem X-Men-Franchise. Beide spielten ihre Charaktere seit dem Jahr 2000. Daher ist es nur passend, dass beide ihre schauspielerischen Höhepunkt als die Charaktere Wolverine und Xavier abliefern. Auch die weiteren Rollen, wie Stephen Merchant als Caliban oder Boyd Holbrook als Pierce, geben erinnerungswürdige Leistungen ab und schaffen es, auch kleine Rollen zu etwas Besonderem zu machen. Ein Höhepunkt des Films ist schließlich Daphne Keen als Laura, welche so gut wie keinen Text spricht, jedoch umso mehr mit ihrer Mimik und Gestik vermittelt. Hoffen wir, dass ihr eine große Filmkarriere vergönnt ist.

Fazit

Mit Logan ist James Mangold ein Geniestreich gelungen. Er schafft es, Hugh Jackmans Wolverine einen würdigen Abschied zu geben, der nicht nur einen Abschluss der bisherigen X-Men-Filme darstellt, sondern zugleich den bisher besten X-Men-Film. Wie schon bei The Dark Knight vor 9 Jahren werden sich zukünftige Superhelden-Filme an Logan zu messen haben. Logan ermahnt Hollywood, dass weniger manchmal mehr ist. Dass Cinematic Universes nicht das Maß aller Dinge sein müssen und dass nicht das CGI-Fest, sondern die Story der Kern eines Filmes sein sollte.

Logan bringt frischen Wind in das Superhelden-Genre und wirkt so originell, gerade weil er erzählerisch so bodenständig ist. Dass schließlich am Ende des Abspanns keine obligatorische Post-Credit-Szene kommt, die ein weiteres Abenteuer ankündigt, ist daher das Sahnehäubchen auf diesem fast perfekten Film.

Hut ab und vielen Dank, Hugh Jackman!

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