In der vorletzten Folge von Westworld entpuppen sich einige beliebte Theorien endgültig als wahr – es ist (schon wieder) Zeit für große Enthüllungen.
Achtung, Spoiler! Diese Review bespricht konkrete, (für mich) interessante Aspekte der aktuellen Folge und sollte erst nach deren Konsum gelesen werden.
Arnold ist unter uns
In den vergangenen Wochen haben sich zwei Theorien über Welt und Figuren von Westworld sehr deutlich herauskristallisiert, die in dieser Folge quasi komplett bestätigt werden. Die Erste: Bernard ist nicht nur, wie erst kürzlich enthüllt, ein von Dr. Ford geschaffener Host, sondern ist tatsächlich als Ebenbild von dessen verstorbenem Partner Arnold entworfen. Der perfekte Partner für Narziss Ford – genial, aber kooperativ und keine Gefahr.
Bemerkenswert ist in dem Zusammenhang vor allem der Blick auf’s Detail: In seinem sehr langen Gespräch mit Ford bekommen wir, neben der tollen Performance des mit sich und seiner Existenz ringenden Bernard, einige interessante Kleinigkeiten zu hören, denn Dr. Ford lässt ein paar Bemerkungen über seinen alten Partner fallen. Er wehrt Fragen nach Details zu dessen Dahinscheiden zwar weiter ziemlich offensichtlich ab, beschreibt ihn aber erneut als genial – und, das ist das wirklich Interessante, auch Bernard „hat ihm ein oder zwei Dinge beigebracht“. Hat Bernard vielleicht mehr mit seinem Vorbild gemein, als Ford selbst ahnt?
Positiv überrascht hat mich das Aufeinandertreffen von Bernard und Maeve gleich zu Beginn der Folge. Mit Bernard hat Maeve endlich auch einen glaubhafteren Verbündeten hinter den Kulissen als die zwei Deppen aus der Werkstatt. Zum Schluss der Folge verstirbt Bernard aber ja scheinbar – oder hat er für dieses Szenario vielleicht vorgesorgt und seinen Suizid nur vorgetäuscht, oder ein „Backup“ hinterlassen? Fords erneut offensichtliche Hybris MUSS doch irgendwann mal Konsequenzen haben. Eine Faustregel in Film und Fernsehen lautet doch: Wenn man den Tod nicht aus der nächsten Nähe sieht, dann war’s vermutlich keiner?
Oder anders gefragt: Ist Anthony Hopkins für die zweite Staffel überhaupt schon bestätigt? Sehen wir nächste Woche vielleicht das Ende von Dr. Ford?
Davor, danach, dazwischen
Die zweite große Theorie dreht sich um die Existenz von Dolores auf mehreren Zeitebenen. Was bislang nur (stark) angedeutet wurde ist in der Folge zunächst mit der plötzlich verschwundenen Wunde endgültig bestätigt worden, wurde dann aber noch deutlicher ausgebaut. Dolores Ausflug in die Vergangenheit des Parks ist angenehm surreal inszeniert (inklusive eines dankenswerterweise kurzen erneuten Auftritts des jungen CGI-Fords) und führt dann auch zu einer Bestätigung der Vermutung, dass Bernards Gespräche mit Dolores in vergangenen Folgen tatsächlich eigentlich mit Arnold stattfanden.
Eine kleine Überraschung war dann Dolores‘ Enthüllung, dass sie Arnolds Mörderin ist. Ob der genaue Hergang von Arnolds Tod noch in der letzten Folge erklärt wird oder dieser Teil der Backstory von Westworld in der zweiten Staffel landet, weiß man nicht, aber das Mysterium um Arnold und Ford ist noch nicht endgültig gelöst.
Über die endgültige Reihenfolge der Ereignisse bzw. Loops können wir wohl erst in der nächsten Folge komplett gesicherte Aussagen machen. Das der William-Plot in der Vergangenheit und vor dem aktuellen Zusammenstreffen Dolores‘ mit dem Mann in Schwarz liegt ist klar, und die Gespräche mit Arnold (als „Saat“ aller folgenden Ereignisse) liegen offensichtlich noch weiter zurück. Wie groß die Zeitabstände dazwischen sind, bleibt aber noch offen: Wie viele hunderte, tausende Male ist Dolores den Weg zum Labyrinth gegangen – und warum hat sie niemand aufgehalten – besonders nicht Dr. Ford? Ich hätte ja vermutet, dass Ford schon lange Tod ist (vielleicht umgebracht von Bernard, s.o.) und seitdem viel Zeit ins Land gegangen ist, WENN denn nicht der Mann in Schwarz in dieser Folge auf Charlotte Hale getroffen wäre und die Zeitebenen Mann-in-Schwarz/Dolores/Hinter-den-Kulissen damit verbunden hätte.
Vielleicht ist also Dolores‘ Reise und die Suche des Mann in Schwarz, oder auch das ganze Labyrinth, Arnolds/Bernards Backup-Plan? Dolores agiert schließlich, wir erinnern uns, im Auftrag von Arnolds (Bernards?) Stimme in ihrem Kopf. Dagegen spricht auf den ersten Blick, dass der Mann in Schwarz zwischen der Begegnung mit Dolores in der ersten Folge und dem jüngsten Zusammentreffen nicht sichtbar gealtert ist, aber es kann niemand garantieren, dass wir da eine chronologische Abfolge gesehen haben: Der allererste Loop um Dolores und Teddy steht in der Serie sowieso für sich allein; er kann durchaus zu einem viel späteren Zeitpunkt als der (scheinbar) darauf folgenden Begegnung mit William stattgefunden haben.
Oder hab ich etwas übersehen? Kommentiert!
Händchenhalten vor dem Finale
Insgesamt geärgert hat mich an der Folge etwas, das es kaum Enthüllungen gab, die über die oben genannten Theorien hinausgingen. Natürlich muss die Serie auch mal etwas für die Zuschauer rekapitulieren, die vielleicht nicht jede Woche irgendwelche Blogs von Internet-Detektiven lesen oder schlicht nicht selbst drauf gekommen sind, aber ich fühlte mich doch sehr bei der Hand genommen. Insbesondere, dass im Gespräch zwischen Ford und Bernard reichlich Rückblenden genutzt wurden, fand ich (teils) überflüssig. Ein bisschen platt ist dann auch Bernards Zusammenfassung von Arnolds „Mission“, der Befreiung der lebendigen/bewussten Hosts, die scheinbar nur als Vorlage für einen weiteren Ford-Monolog dient.
Die bei HBO traditionelle „Höhepunkt-Folge“ Neun enthielt also vor allem Enthüllungen – wie bereits in der Vergangenheit vermutet der eigentliche Pay-Off von Westworlds Geschichten. In der letzten Folge erwartet uns dann hoffentlich noch etwas Action mit Maeve, aber es kann auch sehr gut sein, das wir gleich mehrere Cliffhanger serviert bekommen.
Westworld kann aktuell in Deutschland exklusiv auf Sky geschaut werden.
Unsere Review zur vorherigen Episode gibt es hier: Kai schaut Westworld: Episode 8 – Trace Decay