In der sechsten Folge von Westworld verbergen sich hinter dem Titel The Adversary vielleicht gleich mehrere Gegenspieler.
Achtung, Spoiler! Diese Review bespricht konkrete, (für mich) interessante Aspekte der aktuellen Folge und sollte erst nach deren Konsum gelesen werden.
Upgrades, Upgrades, Upgrades
Host Maeve hat die Fesseln ihrer Programmierung endgültig hinter sich gelassen und kehrt als unmittelbare Fortsetzung der letzten Folge direkt zu Beginn von The Adversary in die „Werkstatt“ zurück um weiter mit Techniker Felix Lutz (Leonardo Nam) zu sprechen – natürlich musste sie dafür eine Vergewaltigung samt Mord provozieren, schließlich sind wir hier bei HBO. Zusammen mit Maeve bekommen wir erneut einen, diesmal eher emotionalen, Rundgang durch die Host-Fabrik von Westworld.
Obwohl Maeve sichtlich erschüttert ist wird sofort klar, dass sie sich das nicht gefallen lassen wird. Selbst als Lutz‘ schlecht gelaunter Kollege Sylvester (Ptolemy Slocum) die beiden erwischt, schafft sie es sofort ihn mit an Bord zu holen. Dies ist auch das einzige Problem, dass ich an dieser Stelle mit dem Mave-Plot habe: Er kann nur funktionieren, wenn die zwei Techniker-Deppen alles tun, was sie will, aber sind die beiden wirklich so frustriert mit ihrem Job, dass sie lieber zu den Komplizen eines verrückten Roboters werden, anstatt sie gemeinsam zu zerlegen (sollten die beiden gemeinsam schaffen, oder?) und sich für das Ausmerzen eines Fehlers einen Bonus von der Chefetage zu holen? Wenn man Elsie glauben darf, die in der gleichen Folge darüber redet, scheint sowas durchaus üblich zu sein. Lutz‘ kaufe ich diese „ein bisschen verliebt in Maeve“-Nummer vielleicht noch so gerade ab, aber zumindest Realist Sylvester sollte da doch stärker gegensteuern. Vielleicht kommt das noch.
Die folgende Upgrade-Session offenbart uns als Zuschauern dann zwei Dinge: Wir erfahren zum einen, dass an Maeve schon vorher „getuned“ wurde (waren es nur die Arbeiten von Bernard und Elsie, von denen wir wissen, oder hat noch jemand anderes rumgefummelt?) und zum anderen, dass Maeve jetzt wohl zu einer Art „Skynet“-Supercomputer wird, da ihre Intelligenz hoch geschraubt wurde – dass das Host-Hirn höher entwickelt ist als das von Menschen wurde ja netterweise vorher noch schnell erwähnt. Das kann ja nur gut gehen – bereits letzte Woche habe ich ja vermutet, das Maeve als „Endgegner“ der Staffel aufgestellt werden wird.
Unsere kleine Farm
Bernard entdeckt, mehr durch Zufall, Dr. Fords kleines Nebenprojekt: Eine kleine Farm mit Host-Nachbildungen seiner eigenen Familie – ein Geschenk Arnolds. Der mysteriöse kleine Junge aus vorherigen Episoden wird auch endgültig als junge Version Fords identifiziert – auch wenn der Verdacht bereits nahe lag. Am besten fasst Bernard die Szene zusammen, als er sagt: So etwas finde ich beunruhigend. Manipulator und Taktlosigkeitschampion Ford würgt die Kritik aber gleich wieder mit einer erneuten Erwähnung von Bernards totem Sohn ab, was auch wieder erstaunlich widerstandslos hingenommen wird.
Über Bernard wird aber ein Bogen zum anderen größeren Plot der Folge geschlagen, der Suche nach dem Datenleck im System (wir erinnern uns, jemand benutzt Hosts um Industriespionage zu betreiben). Gerade als Bernard seine Büro-Romanze Theresa in seine Sorge um Ford einweihen will erfährt er von Elsie, dass die Qualitätssicherungsbeauftragte da wohl irgendwie mit drin steckt. Es wäre ja auch zu einfach, wenn man den Plot nicht noch mit ein paar zwischenmenschlichen Problemchen weiter aufblasen würde.
Pool Party
Ein Wiedersehen gibt es auch mit Schreiberling – Verzeihung, Künstler – Sizemore. Dessen Name ist ein wenig subtiler Hinweis auf sein gigantisches Ego, das nachdem Ford einige Episoden zuvor sein Magnum Opus abgesägt hat noch immer arg lädiert ist. Relativ spät in der Staffel wird er genutzt, um die geschäftsführende Direktorin des Westworld-Mutterkonzerns einzuführen: Charlotte Hale (Tessa Thompson). Was sie noch zu tun haben wird ist unklar, aber sie wird wohl als einzige Druck auf Dr. Ford und die anderen Masterminds von Westworld ausüben können – neben Maeve die zweite potenzielle „Gegenspielerin“ in dieser Folge, und bei beiden ist noch komplett unklar, was ihre Ziele sind.
Spätestens mit der aktuellen Folge treten die philosophischen Ergüsse der Serie wie erhofft etwas in den Hintergrund und machen Platz für den Aufbau eines dramaturgischen Höhepunkts. Maeve ist eine tickende Zeitbombe und der Rest der Staffel wird uns hoffentlich zeigen, wer sie auf den Weg gebracht hat: War es Arnolds „Geist“ wie suggeriert wird oder kommen noch ganz andere Wendungen auf uns zu? Steht das überhaupt in einem Zusammenhang mit der Industriespionage oder laufen da zwei komplett getrennte Geschichten? Unklar ist auch noch, wie das mit Teddy auf seiner Odyssee mit dem Mann in Schwarz zusammenhängt – die aber immerhin auf der richtigen Spur zu sein scheinen, was das Labyrinth angeht.
Westworld kann aktuell in Deutschland exklusiv auf Sky geschaut werden.
Unsere Review zur vorherigen Episode gibt es hier: Kai schaut Westworld: Episode 5 – Contrapasso