Halbzeit! Die aktuelle Folge von Westworld zeigt besonders viel nackte Haut, die übliche Menge Blut, aber auch ein bisschen Plot.
Achtung, Spoiler! Diese Review bespricht konkrete, (für mich) interessante Aspekte der aktuellen Folge und sollte erst nach deren Konsum gelesen werden.
Eyes Wide Shut in „Tex-Mex-Town“
Im Zentrum der aktuellen Folge stehen William, Logan und Dolores, die auf ihrer Suche nach Banditen-Chef El Lazo im Städtchen Pariah landen – wo sie auch sogleich mit einer Aufgabe versorgt werden, die den Action-Teil der Folge stellt. Das führt zum einen zu deutlichen Charakterentwicklungen: William sagt sich endgültig von Logan los, was dieser mit einem kurzen Lächeln quittiert, und Dolores darf endlich (und sprichwörtlich) das Kleid der „Jungfrau in Nöten“ ablegen.
Zum anderen wollte die Serie mit der Stadt Pariah aber auch eine betont „andere“ Location im Wildwest-Einheitsbrei zeigen. Letztlich führt dies zu einem wirren Mix aus verschiedensten kulturellen Aneignungen und so ganz nebenbei zu einem mittleren Shitstorm bezüglich der rassistischen und sexistischen Töne in der Folge. Nicht zuletzt auch dank der eher ungeschickten Erklärungsversuche eines der Produzenten. Pariah ist eine „sündige“ Stadt voller orgienfeiernder Krimineller, die zufällig fast allesamt POC sind. Letztlich werde ich Pariah als Ort wohl nicht vermissen, dafür war das alles zu platt.
Überall Arnold
William und Logan geben uns vor ihrer Trennung auch noch ein bisschen Hintergrundgeschichte: Arnolds Tod hat den Park vor über dreißig Jahren beinahe in den Ruin gestürzt, und wirklich gut läuft es finanziell auch heute nicht (wie der Park dann solange überleben konnte kann ich dann aber auch nur mit EU-Subventionen erklären).
Der Mann in Schwarz ist weiter auf der Suche nach Super-Bösewicht Wyatt und trifft gegen Ende in einem Saloon überraschend auf Dr. Ford. Wir lernen unter anderem in einem Nebensatz, dass der Mann in Schwarz wohl mit für die „Rettung“ des Parks verantwortlich ist – das erklärt seinen Status als eine Art „Premium“-Kunde. Das Gespräch suggeriert auch eine Verbindung zwischen dem Mann in Schwarz und Arnold, und wir erfahren endlich zumindest vage das tatsächliche Ziel des selbsternannten Bösewichts: Er sucht nach der wahren Bedeutung von Westworld, nach dem künstlerischen Geist von Mastermind Arnold.
Dr. Ford scheint (allwissender Gott des Parks der er ist) dann doch von Dolores‘ Abweichungen etwas mitbekommen zu haben und fragt sie darüber aus – Arnold, der wohl definitiv mit in ihrem Kopf sitzt, kann sie aber vor ihm verbergen. Interessant am Rand ist natürlich auch die Information, dass sie bei Arnolds Tod anwesend war – vielleicht war sie sogar der Grund?
Spione und eine Disney-Prinzessin
Als kleiner Nachtrag zur Jagd nach dem entlaufenen Host aus der letzte Folge entdeckt Elsie noch ein Gerät, mit dem wohl Informationen aus dem Park geschmuggelt werden sollen. Außer einem besorgten Blick Bernards bekommen wir von dieser neuen Geschichte aber noch nichts weiter zu sehen – steht das irgendwie im Zusammenhang mit den anderen Ereignissen oder wird noch eine neue Entwicklung gestartet?
Maeve liegt nach ihrem (mal wieder) gewaltsamen Ende in Folge 4 den größten Teil der Folge „auf Eis“ und wird gleich mehrfach von Techniker Felix repariert. Dessen Nebenprojekt, die Reparatur eines defekten Vogels, führt einerseits zur Schlusszene mit einer plötzlich erwachten Maeve mit dem Vogel auf dem Finger, andererseits ist der kleine Vogel aber auch der erste Roboter, der aktiv einen Menschen verletzt, als Felix‘ Kollege ihn zu fangen versucht. Oder gelten die Asimovschen Gesetze nur für die humanoiden Hosts? Generell ist die Serie da trotz allen Hintergrundinfos noch etwas undurchsichtig – „leichte“ Schmerzen sind wie wir schon länger wissen OK und sogar eine Tracht Prügel ist als Teil der Geschichten offenbar erlaubt? Wer legt das fest? Inwieweit können die Hosts das selbst auslegen?
Ladevorgang… 5/10
Als Halbzeit-Punkt der Staffel war die Folge jetzt nicht furchtbar beeindruckend, bringt aber zumindest einige Plots in neue, ggf. interessantere Positionen. Insgesamt sind in dieser Folge mal wieder die kleinen Hinweise auf die Hintergrundgeschichte am interessantesten; der sonst zentrale Action-Plot um den Diebstahl einer Nitroglyzerin-Ladung ist kaum mehr, als was er eben ist: Eine MMO-Fetch-Quest. Es sonst nicht viel voran und ich hoffe, dass die vielen Andeutungen sich jetzt in der zweiten Staffelhälfte so langsam deutlicher materialisieren, denn die nach wie vor tolle Stimmung kann nicht ewig über das langsam etwas anstrengende mysteriöse Getue der meisten Figuren hinwegtrösten.
Angesichts der Auslegung auf mehrere Staffeln frage ich mich aber langsam, ob wir diese Staffel überhaupt noch die große Robo-Revolution erleben oder im Finale erstmal kleinere Brötchen gebacken werden. Ich versuche mich mal an einer Prognose (auch angelehnt an Game of Thrones-typische Staffel-Strukturen): Die „erwachte“ Maeve (nicht Dolores, diese hat anderes zu tun und wird die Staffel überleben) bringt in Folge 8 oder 9 einen oder mehrere Menschen um, die restlichen 1-2 Folgen drehen sich dann um die daraus entstandene Panik bei den Parkbetreibern. Parallel langfristiger angelegtes Mystery-Zeug mit dem Mann in Schwarz sowie Dolores und William.
Übrigens, kleiner Hinweis für alle, die wie ich vom Soundtrack (von Ramin Djawadi, macht auch Game of Thrones) begeistert sind: Bei iTunes ist gerade frisch eine EP erschienen, die nebst dem Intro auch die tollen Cover-Versionen (u.a. Paint it Black von The Rolling Stones und A Forest The Cure) enthält, die uns Djawadi im bisherigen Verlauf der Staffel schon so geschickt untergejubelt hat.
Westworld kann aktuell in Deutschland exklusiv auf Sky geschaut werden.
Unsere Review zur vorherigen Episode gibt es hier: Kai schaut Westworld: Episode 4 – Dissonance Theory