Das Problem des Hyperrealismus in Disneys Remakes von The Jungle Book und The Lion King

© Disney Enterprises, Inc.
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Der Streamingdienst Disney+ bietet neben seinen Zeichentrick-Klassikern auch zahlreiche Remakes an, die als „Realverfilmungen“ vermarktet werden. Doch welche ästhetischen Probleme ziehen diese mit sich?

Ein neuer Trend in der Disney-Animation sind Filme, die zwar aussehen wie gefilmt, aber fast vollständig computeranimiert sind. Die zwei eindrücklichsten Beispiele sind The Jungle Book (2016) und The Lion King (dt. Der König der Löwen, 2019), beide inszeniert von Jon Favreau. Sie sind visuell hyperrealistische Neuverfilmungen beliebter Zeichentrickfilme, welche allerdings unterschiedliche Strategien der Adaption verfolgen.

The Jungle Book ist eine eher freie Adaption des 1967er Originals. Die Figuren haben zwar ähnliche Funktionen für die Handlung, doch es gibt zentrale Unterschiede in den Charaktereigenschaften: Balu der Bär wird beispielsweise als liebenswürdig-arroganter Slacker interpretiert (so wie viele Rollen des englischen Sprechers Bill Murray) und King Louie wird als finsterer Mafia-Pate dargestellt (und passend dazu von Christopher Walken mit einem New Yorker-Akzent gesprochen). Nur wenige der Songs werden im Remake übernommen. So findet ein Fokuswechsel von einer Musicalrevue zu einer Coming-of Age-Geschichte für Mogli statt.

„I wanna be like you“ in The Jungle Book (1967):


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„I wanna be like you“ in The Jungle Book (1967)

„I wanna be like you“ in The Jungle Book (2016):


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„I wanna be like you“ in The Jungle Book (2016)

The Lion King hingegen übernimmt in einigen Szenen Einstellung für Einstellung aus dem Film von 1994. Jede Musical-Sequenz des Originals ist auch in der computeranimierten Neuauflage präsent, was für eine ästhetische Dissonanz sorgt: Während der Inhalt (eine Shakespear’sche politische Verschwörung gepaart mit farbenfrohen Musikeinlagen) den Film als überhöhte Realität ausstellt, wirkt deren hyperreale visuelle Umsetzung wie eine Naturdokumentation. Dies ist besonders irritierend in der Musical-Sequenz „I just can’t wait to be king“ (dt. „Ich will jetzt gleich König sein“): Während das Original die Welt in farbenfrohen Mustern zeigt, die von afrikanischen Kunstwerken inspiriert sind, zeigt das Remake lediglich zwei Löwen, die um ein real aussehendes Wasserloch hüpfen. Die 2019er-Version entfernt sich nicht genug vom Original und wirkt daher wie eine einfallslosere Kopie.

„I just can’t wait to be king“ in The Lion King (1994):


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„I just can’t wait to be king“ in The Lion King (1994)

„I just can’t wait to be king“ in The Lion King (2019):


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„I just can’t wait to be king“ in The Lion King (2019)

In den originalen Zeichentrickfilmen wird die Realität stets abstrahiert. Disneys Ansatz, die Geschichten mit Hilfe hyperrealistischer Computergrafik zu adaptieren, ist dagegen ästhetisch problematisch. Im Falle von The Jungle Book finden Disney und Jon Favreau eine kreative Lösung, indem sie die Geschichte umdeuten, sodass die charakterzentrierte Geschichte und die hyperrealistische Optik Hand-in-Hand gehen. Bei The Lion King verändern dieselben Schöpfer die Geschichte nicht genug, weswegen die Cartoon-artige Realität des Originals nicht zur hyperrealistischen Umsetzung der computergenerierten Welt passt.

Dieser Text erschien ursprünglich in englischer Sprache auf In Media Res unter dem Titel „The Problem of Hyperrealism in The Jungle Book & The Lion King“, 03.12.2019; http://mediacommons.org/imr/content/problem-hyperrealism-jungle-book-lion-king.

Besprochene Filme:

The Jungle Book (Das Dschungelbuch), US 1967, Regie: Wolfgang Reitherman.

The Jungle Book, US 2016, Regie: Jon Favreau.

The Lion King (Der König der Löwen), US 1994, Regie: Roger Allers, Rob Minkoff.

The Lion King (Der König der Löwen), US 2019, Regie: Jon Favreau.

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