Die Academy Awards, besser bekannt als die Oscars, sind verliehen worden. Wer hat gewonnen? Und wie sehr hat die #OscarsSoWhite-Kontroverse die Gala beeinflusst? Hier sind ein paar Eindrucke aus einer Nacht ohne Schlaf.
Zu den Gewinnern der 88. Preisverleihung in den Hauptkategorien zählten in diesem Jahr das Journalistendrama Spotlight (Bester Film und Bestes Originaldrehbuch) und das Rache-Epos The Revenant – Der Rückkehrer (Beste Regie, Bester Hauptdarsteller und Beste Kamera). George Millers Endzeit-Road-Trip Mad Max: Fury Road räumte in den technischen Kategorien sechs und somit die meisten Trophäen des Abends ab.
Doch wie war die Show? Der Comedian und Schauspieler Chris Rock moderierte den Abend und thematisierte in seiner Eröffnungsrede sofort die Rassismuskontroverse der Oscars.
Er kritisierte die Academy für den Mangel an afroamerikanischen Nominierten bei der Preisverleihung und kommentierte bissig, dass er selbst als Afroamerikaner die Oscars wohl nicht hätte moderieren dürfen, hätte die Academy den Moderator gestellt. Trotz der Relevanz des Themas zündeten jedoch sowohl in der Eröffnungsrede als auch in der restlichen Show längst nicht alle Gags. Dies mag an dem Format der Sendung selbst liegen: Die Oscars sind eine Veranstaltung, die im wesentlichen Hollywood dient, sich selbst zu feiern. Hier funktionieren Gags, die Missstände oder Hollywoodtrends parodieren, da sie sich über ein größeres Thema lustig machen. Wenn die Gags jedoch nichts anderes liefern als Popkultur-Referenzen, fallen sie flach und laufen in etwa nach folgendem Schema ab: „Kennt ihr die Minions? Hier sind sie noch einmal und machen das gleiche wie in den Filmen, die ihr schon zig mal gesehen habt.“ Die Entscheidung, die #OscarsSoWhite-Kontroverse ohne Schnörkel und mit viel Humor ins Zentrum der Gala zu stellen, entpuppte sich aber als goldrichtig. Nicht nur für die Academy, sondern auch für Chris Rock, welcher im Nachhinein überwiegend Lob für seine Darbietung bekommen hat.
Doch natürlich bot auch der Rest der Show einige kleinere oder größere Highlights: Ein persönlicher Höhepunkt war die Dankesrede von Pete Docter, dem Regisseur des Gewinners für den Besten Animationsfilm Inside Out (dt. Alles steht Kopf), der Kinder und Jugendliche ansprach:
„There are days you gonna feel sad, you gonna feel angry, you gonna be scared. That’s nothing you can choose. But you can make stuff. Make films, draw, write! It’ll make a world of difference.“
Ein weiterer Höhepunkt war eine wunderschöne In Memorium-Montage der im vergangenen Jahr verstorbenen Filmschaffenden, untermalt von David Grohls Coverversion des Beatles-Songs Blackbird. Diese sorgte gerade in Verbindung von Film- und Bildausschnitten von verstorbenen Größen wie Christopher Lee, Alan Rickmann, James Horner, David Bowie und Leonard Nimoy für Gänsehaut.
Im Großen und Ganzen lief die Preisverleihung selbst ohne Überraschungen ab. Brie Larson bekam die Trophäe als beste Darstellerin im Entführungsdrama Room (dt. Raum), während die Schwedin Alicia Vikander für ihre Leistung in Transgenderdrama The Danish Girl honoriert wurde. Alejandro G. Iñárritu bekam zudem zum zweiten Mal in Folge den Oscar für die Beste Regie (2015 für Birdman, 2016 für The Revenant) und Emmanuel Lubezki nahm zum dritten Mal in Folge den Kamera-Oscar mit nach Hause (2014 für Gravity, 2015 für Birdman und 2016 für The Revenant). Ebenfalls wenig überraschend, aber erfreulich war, dass Leonardo DiCaprio endlich seinen ersten Oscar gewann. Die Auszeichnung hätte er für seine Leistungen in Django Unchained oder The Wolf Of Wall Street zwar eher verdient gehabt, aber seine Leistung in The Revenant wirkte deutlicher denn je, als ob DiCaprio endlich und unbedingt seinen Oscar erzwingen wollte, indem er sich freiwillig für den Film körperlichen Qualen aussetzte. So verbringt er einen Großteil des Films damit, schleimigen Speichel im Bart kleben zu haben, halb zu erfrieren oder als Vegetarier eine rohe Bisonleber zu essen. Wie die Vergangenheit schon öfter gezeigt hat, ist es diese Art der Aufopferungsbereitschaft, die die Academy liebt und die sie mit Preisen belohnt. Bei all diesem Zynismus muss ich jedoch eingestehen, dass allein die Internetreaktionen auf DiCaprios Sieg seinen Oscar gleich zehnfach legitimieren.
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Auch, dass das Journalistendrama Spotlight als Bester Film ausgezeichnet wurde, verwundert nicht. Die Academy liebt Dramen, die auf wahren Begebenheiten beruhen und die Missstände der Gegenwart oder Vergangenheit anprangern (z.B. L.A. Crash, The Hurt Locker oder 12 Years a Slave).
Unerwartet war allerdings, dass nicht Sylvester Stallone für Creed, sondern Mark Rylance für Bridge of Spies als Bester Nebendarsteller ausgezeichnet wurde. Dies ist zwar Schade für Stallone, ist aber Dank der wunderbar nuancierten Darstellung von Rylance als sowietischer Spion verschmerzbar.
Für weitere Verwunderung sorgte, dass der Oscar für die Besten visuellen Effekte in diesem Jahr nicht an die Effektspektakel à la Star Wars: The Force Awakens oder Mad Max: Fury Road gingen, sondern an das SciFi-Kammerspiel Ex Machina. Ein Film, der mit seinem vergleichsweise geringen Budget von 15 Millionen US-Dollar fast ausschließlich den Körper der Androidin Ava auf dem Computer generiert hat. Eine der letzten großen Überraschungen des Abends war nicht, dass Ennio Morricone den Oscar für seinen Soundtrack zu The Hateful Eight gewann, sondern, dass der 87-jährige, abgesehen von einem Ehrenoscar im Jahr 2007, in seiner über 50-jährigen Karriere und mit über 500 komponierten Soundtracks noch nie zuvor einen der Goldstatuen mit nach Hause nehmen durfte. Und obwohl ich den Oscar für die Beste Filmmusik John Williams für Star Wars gewünscht hätte, bin ich froh, dass dieser Missstand nun aufgehoben wurde.
Mein Lieblingsfilm des letzten Jahres, Mad Max: Fury Road, bekam zwar einige Oscars in den technischen und gestalterischen Kategorien (Bester Schnitt, Bester Ton, Bester Tonschnitt, Bestes Szenenbild, Bestes Kostümdesign, Bestes Make-up und Frisuren), konnte sich in den großen Kategorien jedoch nicht gegen Spotlight und The Revenant durchsetzen. Dies war für mich persönlich bedauerlich, da es einen großen symbolischen Wert gehabt hätte, wenn George Millers zweistündige apokalyptische Verfolgungsjagd, die obendrein noch der vierte Teil eines Franchise ist, für die Beste Regie und den Besten Film ausgezeichnet worden wäre. Es hätte auch den Kritikern des Popcornkinos zeigen können, dass ein toll inszenierter Actionfilm ebenso Kunst sein kann wie ein Drama. Doch auch ohne gewonnen zu haben, war für mich Mad Max: Fury Road mit seinen 6 Oscars bei 10 Nominierungen der Sieger der langen Oscar-Nacht. Und so bin ich schließlich in den frühen Morgenstunden zufrieden in das Land der Träume entschwunden, was kurioserweise von apokalyptischen Warboys, aggressiven Bären und Chris Rocks hoher Quietschestimme bewohnt war.