Jannik schaut Game of Thrones – Review S06E08 No One (Niemand)

© HBO
© HBO

Nachdem ich die letzte GoT-Episode für ihre erzählerische Stärke gelobt habe, musste ich für diese Episode sehr stark sein… Die Kritik ist wie immer spoilerfrei, sofern man alle vorigen Episoden geschaut hat.

S6E08: No One (Niemand)

Inhalt: Brienne arrives at Riverrun. Arya seeks shelter. Jaime meets with Edmure Tully. Cersei challenges the Faith. Sandor Clegane hunts for revenge. Tyrion faces the consequences of earlier decisions.

Janniks spoilerfreie Rezension:

Die 6. Staffel Game of Thrones bewegt sich auf ein großes Finale zu. Gleich mehrere Handlungssegmente nehmen Fahrt auf, um in der nächsten oder übernächsten Folge auf (hoffentlich) spektakuläre Weise aufgelöst zu werden. Das klingt erst einmal sehr positiv, doch gibt es zu dieser Folge leider mehr Kritik als Lob.
In den vergangenen Wochen habe ich die Serie mehrmals dafür kritisiert, dass sie Logik für Spektakel opfert. Dies ist besonders ärgerlich, wenn die Serie trotz Drachen und Untoten stets den Realismus der Welt betonte. Auch eine kleine Wunde kann sich entzünden und zum Tod führen. Charaktere bleiben sich selbst treu, auch wenn ihre innersten Motive nicht immer klar sind. „No One“ bricht gleich mehrfach mit den etablierten Regeln der Welt. Verwundbarkeit weicht Superkräften, Charaktermotivation weicht… ja was denn eigentlich? Vermutlich einem Grund, Konflikte in der Serie zu schaffen, die mit gesundem Menschenverstand nicht vorhanden wären.
Paradox ist hingegen der starke Fokus auf Dialoge, dem entgegen in dieser in einer Folge gleich zwei möglicherweise tolle Kampfszenen Offscreen geschehen und wir im Nachhinein erfahren, wie es ausging — aber irgendwie muss man das Blut-Budget ja wieder auf ein moderateres Niveau bringen.
Da der Leitfaden von Schundkritik jedoch ist, sich nicht ewig darüber zu ereifern, wie schlecht und blöd doch alles ist, werde ich auch auf das Positive dieser Episode eingehen. Wir erleben einige lustige Minuten mit Tyrion, Missandei und Grey Worm, die es in den Romanvorlagen bisher nicht gab. Sie bringen weder die Charaktere, noch die Geschichte weiter, geben den Schauspielern aber Zeit, mit ihrem Charme für etwas Leichtigkeit in der Episode zu sorgen. In Riverrun dürften die Entscheidungen der Charaktere, z.B. Jaime Lannister, nicht jedem gefallen, doch lösen sie die Handlung auf ungewohnte und clevere Weise auf, sodass auch hier nichts Schlechtes gesagt werden kann.
Für die Fans von Blut und Gewalt gibt es auch einiges zu sehen, da wir an unterschiedlichen Handlungsorten beide Clegane-Brüder, Sandor und den untoten Gregor alias Robert Strong, in Aktion sehen dürfen. Beides wird nicht bitterernst dargestellt, sondern bietet dem Zuschauer auch einige Lacher, sofern er nicht allzu abgeschreckt von einem axtschwingenden Wilden oder einem rotäugigen Untoten ist.

Spoiler-Ecke

Wichtiges Ereignis der Episode:

In King’s Landing verbietet Tommen seiner Mutter Cersei die Möglichkeit, ihren Gerichtsprozess durch einen Kampf auszutragen. Ihr scheinbarer Champion kann somit nicht mehr zu seinem geplanten Einsatz kommen und den Champion des Glaubens, wer immer er auch gewesen wäre, zu Brei verarbeiten — ob der erwartete „Clegane Bowl“, der Kampf zwischen Sandor und Gregor, damit auch abgesagt ist? In den letzten Sekunden des Segments fragt Cersei ihren Berater Qyburn, ob die Gerüchte wahr seien, über die er forschen sollte. Er bejaht dies und der Zuschauer wird mit der Frage zurückgelassen, was diese Unterhaltung zu bedeuten hatte. Ich habe eine starke Vermutung: Zwei Folgen zuvor sahen wir durch eine Vision Brans, dass in King’s Landing die extrem entzündliche Substanz Wildfire unterirdisch deponiert ist. Folgen wir der in den Büchern beschriebene Vorliebe Cerseis für Feuer, liegt die Vermutung nahe, dass sie in der finalen Episode die Stadt in Brand setzen wird. Momentan scheint es so, als habe Cersei nichts mehr zu verlieren und sei zu allem bereit. Ob sie somit auch ihren Sohn opfern wird, der sie im Stich gelassen hat, wird abzuwarten sein.

Überraschung der Woche:

Die wohl größte Überraschung der Episode ist, dass Arya nach dem Verlassen der Faceless Men anscheinend überhaupt keinen Plan hatte. Sie flieht vor den gefährlichsten Auftragsmördern der Welt, welche obendrein das Aussehen jedes Menschen annehmen können, und stolziert in der letzen Episode ungetarnt durch die Stadt. Dies ließ viele, mich eingeschlossen, vermuten, dass Arya einen geheimen Plan hatte, welcher in der Episode „No One“ aufgedeckt würde. Leider war das nicht der Fall: Arya hatte keinen Plan, wurde mehrfach in den Bauch gestochen und erholt sich auf magische Weise äußerst schnell von ihren Verletzungen. Als ihre Wunde wieder aufreißt, kann sie weiterhin einen Marathon laufen und schließlich ihre Gegenspielerin umbringen. Arya ist also nicht nur uncharakteristisch leichtsinnig, sondern besitzt auch die Superkraft der magischen Heilung. Auch werden die Motive von Waif und Jaqen H’ghar nicht aufgedeckt. Warum Jaqen ihr schließlich sagt, sie sei endlich Niemand (No One), entbehrt jeder Logik, da sie egoistisch handelte und nur die Personen umbrachte, die sie umbringen wollte. Möglich wäre höchstens, dass uns später ein „Masterplan“ Jaqens aufgedeckt wird, und Aryas Erlebnisse genau so geplant waren, einschließlich der überraschend untödlichen Stichverletzungen — aber auch das wäre dann eher überraschend… Ähnlich sieht es in der Nachbarschaft aus: Als Mereen belagert wird, erscheint Daenerys in letzter Sekunde als Dany ex Machina und sorgt für einen Lacher, der so mit Sicherheit ungewollt war. Man sieht sowohl hier als auch bei Arya deutlich, dass die Autoren beide Charaktere unbedingt wieder zurück in ihre gewohnte Umgebung bringen wollten, ohne einen nachvollziehbaren Weg dorthin zu finden.

Randnotiz: Durch das Wiedererscheinen von Beric Dondarrion (lang ist’s her seit Staffel 3) mit der Brotherhood without Banners ist dann wohl auch die erneut erstarkte Hoffnung auf das späte Erscheinen von Lady Stoneheart endgültig gestorben. Wer die Figur nicht aus den Büchern kennt: Dabei handelt es sich um die wiederbelebte, etwas angefaulte und ziemlich grantige Catelyn Stark, welche die Bruderschaft statt Dondarrions in einem Rachefeldzug anführt. Das war in den Büchern nur möglich, weil Dondarrion sein (endloses) Leben für Sie aufgegeben hat. Da Beric Dondarrion nun aber in der Serienwelt noch existiert ist es wahrscheinlicher, dass man in der HBO-Adaption die wichtigsten Lady-Stoneheart-Ereignisse über ihn erzählen wird — ein Vorgehen, dass die Serie auch schon bei anderen Nebencharakteren angewandt hat.

[Einklappen]

Alles in allem ist „No One“ eine mittelmäßige Episode, deren Drehbuch den Geist der Vorlagen zugunsten eines „Wow“-Effekts aufgibt. Dies erfuhren wir in Staffel 5 und 6 schon öfters. Nach einer so starken Vorgängerepisode ist „No One“ jedoch umso enttäuschender. Sie führt die lösen Fäden derart sinnfrei zusammen, dass die von mir so hoch gelobte Episode „The Broken Man“ retrospektiv doch ein ganzes Stück schlechter erscheint, als sie alleinstehend war. Trotz all dem bin ich gespannt auf die nächste Folge, die mit dem Titel „Battle of the Bastards“ hohe Erwartungen weckt.

Zurück zur Startseite