In Folge 7 von Westworld eskaliert der Konflikt um die andauernde Geheimniskrämerei von Dr. Ford – und es gibt einen gewaltigen Twist.
Achtung, Spoiler! Diese Review bespricht konkrete, (für mich) interessante Aspekte der aktuellen Folge und sollte erst nach deren Konsum gelesen werden.
Intrigen
Die Serie gibt sich alle Mühe, Tessa Thompsons Charlotte Hale, ein Vorstandsmitglied der Westworld Mutterfirma Delos, im Schnellverfahren als „Badass“ zu zeichnen. Dabei greift man auf das altbekannte Schema zurück, ihr „typisch männliche“ Eigenschaften angedeihen zu lassen: Sie leiht sich den Banditen Hector erstmal als menschlichen Dildo aus und ist generell skrupellos – dabei aber natürlich etwas intriganter als die männlichen Kollegen bisher und natürlich läuft sie gern nackt herum, während sie mit Kollegin Theresa den Sturz Fords plant. Ja, Westworld, ich seh schon was du damit sagen willst, aber das haben wir auch alles schon mal gesehen und ohne Tessa Thompsons nackten Hintern wäre das auch gegangen.
Die Episode dreht sich zentral um die Bemühungen Hales, den scheinbar „wildgewordenen“ Dr. Ford unter Kontrolle zu bringen – kreativer Schöpfer hin oder her, so wirklich verantworten kann der Vorstand den undurchsichtigen Doktor nicht mehr. Als IT-ler frage ich mich aber auch, wer zum Teufel es erlaubt hat, ein Projekt wie Westworld Jahrzehnte lang ohne Off-Site Backup zu betreiben. Damit ist scheinbar auch schon das Mysterium aus der letzten Folge gelöst, was die Industriespionage angeht: Delos versucht bloß, an die „eigenen“ Daten zu kommen, die Ford so aufwändig weggesperrt hat. Die Frage ist nur, was ist mit Elsie geschehen?
Wesentlich offensichtlicher ist Hales Plan zum Sturz Fords: Der gestellte Ausraster von Clementine (Angela Sarafyan) wird von Bernard und Ford sofort durchschaut – befremdlich ist aber wieder einmal, wie Bernard ohne mit der Wimper zu zucken die Schuld auf sich nimmt. Doch genau das soll dann sehr bald einen Sinn ergeben.
Dun-Dun-Duuuuuuuun
Der Höhepunkt der Folge ist natürlich die Enthüllung von Bernard Lowes wahrer Natur: Als er gemeinsam mit Theresa unterwegs ist, um Fords kleine „Spielwiese“ zu untersuchen, macht es sehr schnell beim Zuschauer klick, nachdem Bernard eine Tür zum Keller nicht sehen kann. Der Moment, in dem Bernard auf Theresas Frage nach der Tür antwortet „Welche Tür?“ löste einen angenehmen „Nä oder?!“ Moment bei mir aus – die Folge (und die ganze Serie) hat zu diesem Zeitpunkt öfters wiederholt, dass die Wahrnehmung von Hosts durch ihre Programmierung beschränkt sein kann. Um ehrlich zu sein fühlte ich mich von der Folge sogar ein bisschen zu sehr bei der Hand genommen – man traut dem Zuschauer wohl nicht zu, das alles mitzubekommen?
Bernard ist also ein Host. Viele Kleinigkeiten passen dann plötzlich sehr gut zusammen: Dr. Ford mag eigentlich außer Bernard nur noch den alten Roboter im Keller. Bernard ist gerade kritisch genug um gut arbeiten zu können aber kann von Ford jederzeit ruhig gestellt werden (z.B. mit Erwähnung seines Sohnes) und ein paar unscheinbare Kommentare Fords haben plötzlich viel weitreichendere Bedeutungen („Du bist das Produkt von Trillionen von Fehlern“… „Ich weiß wie dein Kopf funktioniert“…) – hier findet sich eine Zusammenstellung dieser und weiterer Dinge. Etwas gruselig wird dann auch der Gedanke, dass es wohl Bernard gewesen sein könnte, der Elsie in der letzten Folge im Dunkeln überraschet hat, schließlich scheint ihm ihr Verschwinden keine größeren Sorgen zu machen.
Anthony Hopkins darf in der Kellerszene endlich den subtilen Horror voll ausspielen, der ihn seit Das Schweigen der Lämmer als Markenzeichen begleitet. Die Figur des Dr. Ford trieft hier wieder vor Narzissmus; die Verachtung für alle, die seiner Schöpfung gefährlich werden können, ist vollkommen.
Gespannt bin ich darauf, ob der Host im 3D-Drucker im Keller vielleicht ein „Ersatz“ für Theresa sein wird, denn wie sonst soll Ford das Verschwinden von seiner QA-Chefin erklären? Mit einer Mitarbeiterin weiter unten in der Hackordnung wie Elsie mag das auch mit überraschendem Urlaub klappen, aber Theresas Verschwinden kann man sicher nicht so leicht erklären.
Randnotiz: Die mechanische Perfektion, mit der sich Bernard am Ende der Szene mit leerem Blick seine Kravatte umbindet, passt perfekt, und hat sicherlich einige Takes gekostet.
Theorien, Theorien
Mit der Enthüllung von Bernards wahrer Natur gibt Westworld meiner Meinung nach endgültig preis, welche Art von Höhepunkten wir erwarten dürfen: Nicht (nur) überraschende Tode oder Massaker, sondern von langer Hand geplante Twists als Auflösung relativ elaborater Mysterien.
Damit dürfen sich dann auch die ganzen Detektive im Internet auf die Schulter klopfen und sich bestätigt fühlen – insbesondere die Theorie um verschiedene Zeitperioden der Handlung erscheint nach den jüngsten Enthüllungen umso plausibler: Bernards Gespräche mit Dolores früher in der Staffel fanden offenbar im Keller aus der aktuellen Folge statt – viele Glauben, dass würde nur dann zusammen passen, wenn wir in diesen Szenen nicht Bernard gesehen haben sondern den mysteriösen Arnold, der Jahre vor der Schaffung Bernards die Ereignisse um die „erwachten“ Hosts wie Dolores in die Wege geleitet hat. Bernard wiederum wäre dann als Ebenbild von Fords altem Partner geschaffen worden – es würde zu Dr. Ford passen, seinen (scheinbar überlegenen) Partner als willenlosen Assistenten wiederzubeleben.
Ich bin gespannt auf das Staffelfinale und darauf, welche der zahllosen Theorien sich als wahr erweisen. Umso mehr glaube ich langsam aber, dass insbesondere die Plots um Dolores, William und auch den Mann in Schwarz in dieser Staffel keine wirklich befriedigende (Zwischen-)Auflösung finden sondern eher in Staffel 2 weitergetragen werden (die HBO jüngst bestätigt hat) – eine Eskalation um Maeve herum scheint aber nach den Ereignissen dieser Folge unausweichlich und bietet uns hoffentlich während des anstehenden Fluchtversuchs einen Blick nach „draußen“.
Westworld kann aktuell in Deutschland exklusiv auf Sky geschaut werden.
Unsere Review zur vorherigen Episode gibt es hier: Kai schaut Westworld: Episode 6 – The Adversary