(Kinofassung – OmU)
Benedict Cumberbatch als Turing vor dem Filmmodell einer Rechenmaschine. Foto:
Ein Film über den berühmten Mathematiker, Prä-Computerwissenschaftler und Codebrecher Alan Turing: The Imitation Game mit Benedict Cumberbatch und Keira Knightley ist in gleich acht Kategorien bei den Oscars nominiert. Die Verleihung findet am 22. Februar statt. Also: Wie gut ist der Streifen?
Ein historisches Drama über Alan Turing ist eine gute Idee. Von seinen Problemen mit der festen Sozialstruktur des britischen Empires, über seine sportlichen Höchstleistungen, seine wissenschaftliche Arbeit in Mathematik und auf dem Gebiet der Prä-Computer, seine damit verbundene Arbeit am Entschlüsseln der Nazi-Codemaschine Enigma, bis hin zu der Grausamkeit, mit der der konservative Staat der 50er auf seine Homosexualität regiert hat, bietet seine Biographie eine Menge an dramatischem und tragischem Stoff.
Der Film hat viele Pluspunkte: Die Figur Alan Turing oder die Schauspieler*innen Benedict Cumberbatch und Keira Knightley (als Kryptoanalytikerin Joan Clarke). Es ist ein Kriegsfilm, ein Spionagethriller und ein Film über Technik. Es geht um Wissenschaft, irgendwie so etwas wie ein „Science-Fact“-Film.
Die Produktion muss sich nicht verstecken, auch wenn die Computereffekte durchaus als solche zu erkennen sind. Die Kostüme sind wundervoll, die Kulissen gemütlich-britisch und der Film verwendet Archiv-Ausschnitte der Kinonachrichten aus der Zeit. Die größte Attraktion des Films (neben seinen Schauspieler*innen) ist die Maschine: ein Nachbau der frühen Analog-Computer, die im Krieg zum dekodieren gebaut wurden, basierend auf Turings Konzept von „Turing-Maschinen“. Die Maschinen wurden im Krieg „Bombes“ getauft, im Film heißt sie „Christopher“. Sie besteht aus Walzen und Kabeln, Rohren und Rahmen aus Holz und Blech und rotiert, dreht und tickt gleich dutzendfach und ganz famos.
Leider schreckt der Film immer wieder davor zurück, das technische und mathematische Problem der Codeknacker*innen zu erklären und zum Drama zu machen. Es ist spürbar, dass er Angst hat, das Publikum würde abschalten wenn es länger als 20 Sekunden um „Nerdkram“ geht. Und das halte ich für eine Fehleinschätzung. Der Film beginnt sogar damit, dass Turing im Voice-Over Aufmerksamkeit fordert. Diese Herausforderung an die Zuschauer*in bleibt aber weitgehend ohne Payoff, was sie im Nachhinein wie eine Entschuldigung dafür wirken lässt, dass der Film mit Technikkram „nervt“.
Das Problem der Codebrecher*innen wird nur durch die trockene Zahl der Codierungsvarianten („150 million million million“) erklärt, nicht durch die konkreten Variablen in der anfassbaren Maschine Enigma: ein Buchstabe im Klartext wird codiert in einen von 26 Buchstaben pro Rad, auf drei Rädern, die sich in der Maschine bei jedem Tastendruck drehen und die aus fünf oder acht Rädern ausgewählt werden. Weil sich die Räder drehen, ändert sich der Code nach jedem Buchstaben. Wenn das nicht reicht, können auf einem Steckerbrett codierte Buchstaben zu einem anderen verbunden und nochmal durch die Räder geschickt werden. Nichts davon kennen die Knacker*innen. Ein bisschen kompliziert, okay. Aber auch verdammt cool.
Die triumphalsten Szenen sind dann auch die, in denen das Team die Tricks findet, die sie brauchen, um, selbst mit ihren Bombes, an einem Tag mit Enigma fertig zu werden. Nicht nur kompliziert und cool, sondern auch spannend.
Ein Haufen Genies: Das Codebrecher*innen-Team. Foto:
So richtig steigt der Film aber in diesen Science-Fact-Thriller nicht ein, und der Platz, der dadurch frei wird, wird durch menschliches Drama gefüllt. Was auch häufig nicht schlecht funktioniert. Leider driftet es aber auch teilweise in Malen nach Zahlen ab; so etwas wie eine „wenn er gefeuert wird, kündigen wir auch“-Szene zum Beispiel. Freundschaft, Liebe, Autorität gegen Selbstverwirklichung; das alles macht einen Film sicher nicht schlechter, aber echtes Drama durch fade Klischees zu ersetzen ist schade. Und es wird auch den Charakteren, ihren Beziehungen und Konflikten nicht gerecht.
Sich mehr auf den Technik-Mathematikthriller zu konzentrieren, wäre auch der Person Turing gerechter geworden, denn das war schließlich auch das, was ihm selbst wichtig war. Nicht umsonst hat er Prä-Computern – den Turing-Maschinen – sein Leben gewidmet. Benedict Cumberbatch, Keira Knightley und die anderen spielen gut, der Film ist sowohl spannend und hübsch als auch interessant und er ist historisch einigermaßen tatsachengerecht. Die Kinokarte lohnt sich. Acht Oscars bezweifle ich, denn der Film ist gut, aber nicht großartig.
The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben läuft seit dem 22. Februar 2015 in deutschen Kinos.