Life is Strange – Zeitreisen mit Instagram

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Entwickler Dontnod und Publisher Square Enix haben mit Life is Strange einen bemerkenswerten Vertreter des Episoden-Adventures geschaffen, der nicht nur durch seine einzigartige Optik überzeugt. Aus einem tiefen Nostalgiegefühl heraus entwickelt sich eine ergreifende Geschichte, die Lust auf mehr macht – gut, das noch einige Episoden folgen werden.

Arcadia Bay. Der fiktive Ort liegt an der Küste Oregons und trieft geradezu von dieser ganz besonderen Art der Kleinstadt-Tristesse. Es ist ein Ort, an dem Kinder gemeinsam Abenteuer erleben und ewige Freundschaften schmieden, nur um dann wenige Jahre später die Flucht in die „weite Welt“ zu ergreifen. So auch Maxine „Max“ Caulfield – vor fünf Jahren zog sie mit ihren Eltern nach Seattle und blickte (fast) nie zurück.2015-04-24_00023Doch die Zeiten haben sich geändert: Sie ist wieder in der Stadt (ohne ihre Eltern) und besucht die Blackwell Academy, eine renommierte Privatschule. Zwischen Fotografie-Kurs (geleitet vom etwas pompösen Starfotografen) und zickigen Mitschülerinnen hat sich die stille, schüchterne Max noch nicht wieder eingelebt, als sie auf der Mädchentoilette Zeuge eines Verbrechens wird: Eine andere Schülerin gerät in Streit mit dem reichen Sohn eines hohen Tiers in der Schulverwaltung, als dieser plötzlich eine Waffe zieht und abdrückt. Doch plötzlich findet sich Max in ihrem letzten Kurs wieder und realisiert bald, was passiert ist: Sie hat die Zeit zurück gedreht. Wie ist sie zu dieser Fähigkeit gekommen? Und was haben die Visionen der Zerstörung Arcadia Bays durch einen Hurricane damit zu tun?

Soviel zur Prämisse. In Life is Strange folgen wir Max bei der Erforschung ihrer neuen Fähigkeiten, die auch im Rahmen kleiner Rätsel zum Einsatz kommen. Interessanter als durch geschicktes Vor- und Zurück der Klassenzicke einen Farbeimer über dem Kopf auszuleeren ist vor allem, den unterschiedlichen Ausgang verschiedener Dialogoptionen zu erproben. So gesehen ist die Zeitreisefähigkeit eine geschickt ins Spielgeschehen integrierte Schnellspeicherfunktion, die sich nahtlos in den Spielablauf einfügt, statt ihn zu unterbrechen. Leider ist die Reichweite der Fähigkeit aber beschränkt, meist auf die jeweilige Szene, so das wir den Ausgang mancher Entscheidungen doch erst später erfahren.

Wie für dieses vor allem durch die Telltale-Adventures (The Walking Dead, Game of Thrones, Tales from the Borderlands,…) geprägte Genre der „interaktiven Geschichten“ üblich sind gerade diese Entscheidungen ein zentrales Element des Spiels: Soll ich der schüchternen Klassenkameradin helfen, als diese vom aggressiven Security-Mann bedroht wird, oder lieber doch ein Foto machen, um den Vorfall später belegen zu können? Dank Zeitreise können wir uns mehrfach umentscheiden, aber die späteren Folgen sind dennoch oft nicht absehbar.2015-04-24_00008Ein wichtiges Kriterium dieser Art von Spiel ist es, wie groß die späteren, von uns verursachen Unterschiede wirklich sind. Viele scheitern am Zielkonflikt kohärente Geschichte / verzweigter Entscheidungsbaum und legen letztlich den Fokus auf die Geschichte. Im Kern tut dies auch Life is Strange (wobei dies erst nach Veröffentlichung aller Episoden sicher sein wird), aber die bislang getroffenen Entscheidungen haben zumindest gefühlt „wichtige“ Auswirkungen auf die Umgebung. Das ist gut, aber sicher nicht so „revolutionär“ wie die Entwickler es anpreisen.

Das ist aber letzten Endes auch vollkommen egal. Die Spielmechanik, einschließlich Zeitreisefunktion, ist schließlich nur Mittel zum Zweck, um die Geschichte zu erzählen. Diese selbst ist im Kern auch, zumindest bis jetzt, nicht revolutionär, aber sie entwickelt dennoch einen spürbaren Sog. Daran haben vor allem zwei Dinge ihren Anteil: Figuren und Setting.2015-04-24_00013Life is Strange ist wunderschön. Rein technisch gesehen ist das Spiel gar nicht mal so sehr auf dem neuesten Stand, wie teils grobe Polygone, unklare Texturen und mittelmäßige Lippensynchronität zeigen. Die Komposition macht es: Jede Szene könnte direkt aus Max‘ Fotografiekurs stammen; die geschickt eingesetzten Lichtfilter erwecken immer wieder Assoziationen nicht nur mit Instagram-Filtern sondern auch mit den endlosen Sommern der Vergangenheit, die wir mit Freunden verbracht haben. Der Gitarren-Indie-Soundtrack tut sein übriges dazu.

Dieses Gefühl der Nostalgie spiegelt sich auch in Chloe wieder, einer alten Freundin von Max, mit der sie seitdem sie vor 5 Jahren weggezogen ist nicht gesprochen hatte. Kurz nachdem sie wieder aufeinandertreffen scheint alles beim Alten: Max erzählt dem quirligen Punk-Girl Chloe von ihrer neuen Fähigkeit und den Visionen und gemeinsam ziehen sie los, um damit Spaß zu haben. Chloe beschwört die „alte“ Max herauf, die beste Freundin, und Max folgt ihr gern zurück in die Zeit, in der sie sorglos zusammen die Sommer miteinander verbrachten. Life is Strange ist letztlich auch eine Coming-of-Age Story, was nicht zuletzt der beim Fänger im Roggen geborgte Nachnahme der Protagonistin andeutet.2015-04-24_00003Auch die Nebenfiguren sind vielfältig gezeichnet – leider oft auch etwas überzeichnet. Das fundamental-christliche Mädchen wird gemobbt, Max‘ bester Freund in der Schule ist ganz offentlichtlich ein Nerd und noch viel offensichtlicher in Max verliebt, und der Schuldirektor natürlich nur den Spendengeldern der reichen Eltern verpflichtet. Es zeichnet sich aber ab, das hinter dieser Fassade aus Highschool-Klischees mehr steckt: Die jeder für sich interessanten Handlungsstränge sind miteinander verwoben, rätselhafte Geschehnisse bleiben zunächst unerklärlich, und über allem schwebt die Vision des zerstörten Arcadia Bay und das Geheimnis von Max‘ mysteriöser Zeitreisefähigkeit.

Auch wenn ich Hipster-Max mit ihrer Polaroid-Kamera manchmal nur noch mit Augenrollen ertragen konnte, wenn sie mal wieder enthusiastisch über ihre Lieblingsfotografen schwadroniert, so haben mich Figuren und Geschichte innerhalb der bislang veröffentlichten zwei von fünf Episoden doch berührt. Ich will wissen, wie es mit ihnen weiter geht, und letztlich ist damit die Pflicht einer jeden Geschichtenerzählung erfüllt. Die Kür bleibt noch offen, wenngleich der audiovisuelle Stil bereits jetzt schon ausreicht, um das Spiel über den Durchschnitt zu erheben. Schaut euch den Trailer an, der das Gefühl des Settings schön einfängt.


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Life is Strange ist bei Steam erhältlich, 4,99 € je Episode oder 20,00€ für die ganze Serie.
http://lifeisstrange.com

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